Ein „Schandfleck“ feiert Geburtstag

Einst war das Haus der Bürgerschaft heftig umstritten. Heute wird es als „Markstein der Moderne“ gefeiert

Man kann nicht behaupten, dass die BremerInnen allzu begeistert gewesen wären über ihre neue Bürgerschaft. Von einem „Schandfleck“ in der „guten Stube“ Bremens war die Rede und von einem „herrschsüchtigen“ Bau. Die Assoziationen, die mit dem Entwurf des Berliner Architekten Wassili Luckhardt verknüpft waren, reichten von einer „Großmarkthalle“ bis hin zu einem „überdimensionierten Radioapparat“. Am Samstag ist es auf den Tag genau 40 Jahre her, dass das bremische Parlamentsgebäude eingeweiht wurde.

Zu Ehren des Geburtstages findet am Samstag nicht nur ein Festakt statt, nebst einem Tag der offenen Tür. Auch mit einem Buch des Bremer Zentrums für Baukultur wird die Bürgerschaft geehrt. Bislang nämlich habe es nur eine – indes gerne verschenkte – Diplomarbeit über das Haus gegeben, sagt sein Präsident Christian Weber (SPD).

Viele BremerInnen hätten im Umfeld von Rathaus, Dom und Schüttung lieber ein historisierendes Gebäude gesehen – auch wenn ein Wiederaufbau der Neuen Börse nicht zur Diskussion stand. Selbst der damalige Direktor der Kunsthalle, Günter Busch, machte sich dafür stark, dass am Markt „bremisch“ gebaut wird: „sehr traditionsgebunden, bescheiden und solide, dabei jedoch nicht altmodisch, sondern fortschrittlich gesinnt“.

Für Volker Plagemann, ehemaliger Leiter der Bremer wie Hamburger Kulturbehörde und Herausgeber des Buches über die Bürgerschaft, ist der zehn Millionen Mark teure Bau einer der „großen internationalen Marksteine der Moderne“. Den Widerstand gegen dessen Architektur erklärt er nicht zuletzt als Reflex der Nachkriegsjahre gegen den Parlamentarismus als solchen.

Dabei ist auch Architekt Wassili Luckhardt (1889-1972) nicht frei von Verstrickungen in das Dritte Reich: Bereits 1933 trat er in die NSDAP ein: Seine – indes trügerische – Hoffnung: Die Nazis würden seine Vorstellungen vom neuen Bauen wohlwollend unterstützen. mnz

Volker Plagemann/ Eberhard Syring: Das Haus der Bürgerschaft in Bremen von Wassili Luckhardt, Aschenbeck & Holstein, 16,80 Euro