Wo Köpfe plötzlich aus dem Packeis ragen

Es macht Spaß, eben erst aufgebaute Klischees gleich wieder zu konterkarieren. So auch bei den isländischen Kulturtagen in Bremerhaven

Soll man ihnen verübeln, dass sie sich mit ihrer Insellage auseinandersetzen? Sich darüber wundern, dass ihre Natur eine zentrale Rolle spielt – in Kunst, Literatur und Film? Sollen Islands Kulturschaffende etwa über Palmen und Olivenhaine schreiben – nur, um nicht kontinentalen Klischees zu entsprechen? Nein, nichts von all dem ist einzufordern. Auch nicht von den Bremerhavener isländischen Kulturtagen, die einige markante Facetten präsentieren.

Zwar ist der Shooting-Star, Zyniker und Romancier Hallgrímur Helgason („101 Reykjavik“) nicht eingeladen. Da sein werden aber Steinunn Sigurdardóttir und Gudbergur Bergsson. Ihren Roman „Die Liebe der Fische“ präsentiert Sigurdardóttir, Thema ist eine bizarre Liebe; bedauerlich nur, dass ihre Naturbeschreibungen – wie so oft – ins Esoterische driften. Gudbergur Bergsson, 1932 im Fischerdorf Grindavik geboren, kehrt im Roman „Vater, Mutter und der Zauber der Kindheit“ durchaus sentimental in selbiges zurück. In den Sechzigern hatte er noch einigermaßen respektlos nationale Mythen entkleidet.

Indirekt hat sich auch Einar Kárason ins Programm geschlichen: in Form des Films „Devil’s Island“ von Regisseur Fridrik Thór Fridriksson, der Kárasons „Barackentrilogie“ verarbeitet. Protagonisten: eine sich saga-gleich streitende Familie in den Sozialwohnungen am Rande Reykjaviks. Bunt, derb, humorig porträtiert der Film das Elendsviertel. Mit Geysir-Romantik hat es so viel gemein wie Baltasar Kormákurs Film „Die kalte See“, in dem – angesiedelt irgendwo zwischen Märchen und King Lear – ein Familienerbe aufs Blutrünstigste geteilt wird.

Und wenn es stimmt, dass Islands Künstler insgeheim versuchen, ihrer (geographischen) Isolation zu entkommen, dann steht es einem freigestellt, die Dominanz der Natur in der dortigen bildenden Kunst als pseudo-urbanes oder als innovativ-provinzielles Phänomen zu betrachten: Helgi Frídjonssons Surrealismen etwa spielen mit der Exotik isländischer Saga-Motive. Das plötzliche Auftauchen des Isländers aus dem Packeis suggerieren Katrin Sigurdardóttirs Installationen. Und wer könnte sagen, ob der „Skoffin“, ein Mix aus Fuchs und Katze, nicht als Kommentar zu kontinentaleuropäischen Klischees gedacht ist? Verbunden mit dem milden Lächeln des Insulaners? PS

10. 9. bis 20. 10. www.kunsthalle-bremerhaven. de, www. koki-bremerhaven. de, www.stadtbibliothek-bremerhaven.de