Doppelt war gestern

Gerhard Mayer-Vorfelder geht. Heute wird der 73-Jährige auf dem Bundestag des DFB verabschiedet. Mit Theo Zwanziger übernimmt ein moderater Machtpolitiker den Chefposten des Fußball-Bundes

Mayer-Vorfelder konnte keine seiner Politaffären etwas anhaben – als DFB-Chef war er schnell umstritten

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Im Fußball beginnt eine neue Ära. Heute wird Theo Zwanziger (61) zum Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gewählt. Die Zeit der Doppelspitze ist vorbei. Aus dem geschäftsführenden Präsidenten wird ein echter. Gerhard Mayer-Vorfelders (73) Zeit als oberster Repräsentant des nationalen Fußballs geht mit dem DFB-Bundestag in Frankfurt am Main zu Ende.

Der Abgang des streitbaren Funktionärs ist alles andere als glanzvoll. Dass so viel Schatten auf den betagten Sonnenkönig aus dem Ländle gefallen ist, dafür hat sein Nachfolger gesorgt. Theo Zwanziger gibt gerne den braven Funktionär, der sich dem Amateurlager verpflichtet fühlt und dessen weiches Herz vor allem für den Frauenfußball schlägt. Der brave Jurist hat Gerhard Mayer-Vorfelder Stück für Stück aus dem Amt gedrängt. Ein machtpolitisches Meisterstück.

Als Mayer-Vorfelder 2001 auf den Chefposten des DFB gewählt wurde, hatte er bis auf einen einzigen alle zum DFB-Bundestag delegierten Funktionäre davon überzeugen können, dass er der richtige Mann ist. Sein Wahlergebnis war überwältigend. Er schien am sonnigen Ziel seiner Funktionärslaufbahn angekommen zu sein. Doch er brauchte ein Weile, bis er begriffen hatte, dass der DFB-Präsident nicht mehr der Alleinherrscher im deutschen Fußball ist. Die Profivereine hatten sich selbständig gemacht und einen Ligaverband gegründet. Dennoch mischte sich Mayer-Vorfelder munter in jede Diskussion ein. So klagte er über die Risikobereitschaft etlicher Clubs. „Einige Vereine fahren an die Wand“, merkte er an. Die Liga wollte sich das nicht gefallen lassen. Werner Hackmann, der Chef des Liga-Verbandes, machte Mayer-Vorfelder klar, dass der DFB über die 36 Profivereine nicht zu urteilen habe.

Mit einem mal verspürte der neue Präsident Gegenwind – auch im eigenen Haus. Es muss ein neues Gefühl gewesen sein. Als Präsident des VfB Stuttgart, den Mayer-Vorfelder 25 Jahre lang im Stile eines Diktators leitete, musste er selten Kritik einstecken. Mit 23 Trainern erreichte er zwei Meisterschaften und einen Pokalsieg. Es war der spärliche Lohn einer Epoche, in der Mayer-Vorfelder den VfB auf eine Stufe mit dem FC Bayern hieven wollte. Auch in seiner Politkarriere, die den ehemaligen Büroleiter Hans Filbingers, des wegen seiner Tätigkeit als Marinerichter in der NS-Zeit nach 1978 nicht mehr tragbaren Ministerpräsidenten von Baden Württemberg, bald schon auf den Posten des Kultusministers einer CDU-Alleinregierung spülte, musste er nicht viel Widerspruch erdulden. Er vertrat eine rechtskonservative Bildungspolitik. Dabei stand das lauthals herausgeschriene christliche Weltbild bisweilen in krassem Widerspruch zu seinem ausschweifenden Lebensstil. Sein Eintreten für ein Schulgebet oder das Absingen aller drei Strophen der Nationalhymne sind Legende. Als Finanzminister in den folgenden Koalitionsregierungen konnten ihn etliche Affären nicht ins Wanken bringen. Dass er nichts gegen die Vorzugsbehandlung des Vaters von Steffi Graf bei den Finanzämtern unternommen hatte, rügte zwar ein Untersuchungsausschuss, ein CDU-Minderheitsvotum sprach ihn jedoch von jeder Schuld frei. Er selbst sah sich ohnehin als Unschuldsengel. Seine Affären kosteten ihn meist nicht mehr als ein Achselzucken.

Das war beim DFB schnell anders. Nachdem die Nationalmannschaft sich bei der EM 2004 in Portugal reichlich blamiert hatte und ein Nachfolger für den zurückgetretenen Teamchef Rudi Völler gefunden werden musste, wollte Mayer-Vorfelder im Alleingang einen neuen Bundestrainer bestellen. Ihm wurde verübelt, dass er in Portugal geblieben war, um von dort aus Strippen zu ziehen, statt die DFB-Krise am Verbandssitz in Frankfurt am Main zu lösen.

Hier nun sah der DFB-Schatzmeister Theo Zwanziger seine Chance. Er scharte die Landesverbände um sich und drohte Mayer-Vorfelder mit einer Kampfabstimmung um den Präsidentenposten. Dem blieb nichts anderes übrig, als sich auf einen Kompromiss einzulassen. Die Doppelspitze war geboren. Zwanziger sollte sich um das Schiedsrichterwesen, die Frauen und die Amateure kümmern, Mayer-Vorfelder war für die Nationalmannschaft zuständig.

Doch Zwanziger ließ Mayer-Vorfelder nicht in Ruhe werkeln. 2006, so war es vereinbart worden, sollte Zwanziger allein das Ruder übernehmen. Der Jurist bestand nun darauf, alle Verträge, die über diesen Zeitpunkt hinaus gelten, selbst auszuhandeln. Mayer-Vorfelder war nur mehr ein Grußonkel am Rande der Macht. Wiederum war er vom Kollegen in der Doppelspitze düpiert worden. Nun regiert Zwanziger im DFB. Ein leiser Machtmensch folgt dem lauten Funktionärstrampel.