THILO SARRAZIN UND DER FC BAYERN MÜNCHEN
: Der selektive Sport

Über Ball und die Welt

MARTIN KRAUSS

Thilo Sarrazin behauptet, dass nach der Logik der Gleichmacherei, die ganz Deutschland beherrscht, „der FC Bayern München seine Profimannschaft gemeinsam mit der Kreisklasse trainieren“ lassen könnte. Weil das aber nicht passiert, gilt der Fußball Sarrazin als große Ausnahme im ansonsten von Linksideologen heruntergewirtschafteten Deutschland.

Unser schlauer Schnäuzerträger schreibt in seinem aktuellen Bestseller „Der neue Tugendterror“, Leistung gelte hierzulande als moralisch fragwürdig, und „wer reich ist, sollte sich schuldig fühlen – außer, er hat sein Geld als Sportler oder Popstar verdient“. Im Sport, jubiliert Sarrazin, wird noch natürlich selektiert. „Männer sind körperlich stärker und laufen schneller“, freut er sich. „Darum finden alle Sportwettbewerbe getrennt nach Männern und Frau (!) statt.“ Was er für natürliche Unterschiede hält, gilt ihm als Ausdruck einer gerechten Leistungsgesellschaft: Juden hält er für intelligenter („15 IQ-Punkte“), Schwarze für dümmer, Muslime gelten ihm als rückständig und intolerant, und wo Sinti und Roma auftauchen, gibt es „signifikante Erscheinungsformen von Betteln, Diebstahl und Prostitution“.

Warum glaubt dieser Meisterdenker aber, im FC Bayern München eine lobenswerte Ausnahme zu erblicken? Schließlich stehen im Bayern-Kader Spieler wie Jérôme Boateng, Diego Contento, David Alaba, Thiago Alcántara, Xherdan Shaqiri oder Mario Mandzukic. Das sind allesamt Menschen, an deren Intelligenz oder Integrationswilligkeit einer wie Thilo Sarrazin seine Zweifel hat, sobald er ihre Namen gehört oder ihre Religion recherchiert hat. Die haben ja dann wohl auch kaum eine Spielübersicht und kicken nicht mannschaftsdienlich, denn das sind ja Synonyme für Intelligenz und Integrationswilligkeit.

Warum also Sarrazins Lob des Fußballs? Vielleicht denkt er ja, dass sich im Sport sein geliebtes Leistungsprinzip so sehr durchgesetzt hat, dass sogar solche Leute sich anstrengen! Vielleicht denkt er so. Aber in Wirklichkeit ist Sarrazins Lob des Profifußballs so stupend blöd wie alles andere, was er schreibt. Wäre Multikulti gescheitert, müsste Joachim Löw im Sommer doch gar nicht erst nach Brasilien reisen. Schließlich spielen da Leute wie Shkodran Mustafi, Mesut Özil, Sidney Sam, Pierre-Michel Lasogga oder Jérôme Boateng.

Wenn man genau hinschaut, wird es sogar noch interessanter: Als 1998 Frankreich mit seiner „Équipe Multiculturelle“ Weltmeister wurde, dämmerte es auch dem traditionell deutschnationalen hiesigen Fußball, und man berief türkischstämmige Kicker in die Nationalelf. Erst langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass es irgendwelche Berufungen allerdings nicht bringen. In den unterklassigen Ligen aber fanden sich – sogar überrepräsentiert – Kicker mit dem berühmten Migrationshintergrund; nur in der Zweiten und Ersten Liga sah man sie nicht. Das lag weder an mangelndem Talent noch an fehlender Leistungsbereitschaft, sondern schlicht an sozialem Ausschluss: Im Kinder- und Jugendfußball setzten deutsche Trainer lieber Kinder ein, die ihnen (vermeintlich) kulturell näherstanden.

Vor allem gesellschaftliche Widerstände – man könnte auch von Rassismus sprechen, aber dann wäre Thilo Sarrazin wieder beleidigt – mussten und müssen also überwunden werden, damit Weltklassetalente wie Sami Khedira oder Kevin-Prince Boateng entdeckt und gefördert wurden, äh, und werden.

Thilo Sarrazin glaubt ernsthaft, diese Gesellschaft sei in Gefahr, wenn plötzlich „der FC Bayern München seine Profimannschaft gemeinsam mit der Kreisklasse trainieren“ ließe. Die Wahrheit, die Sarrazin nie verstehen wird, lautet aber: Erst nachdem die Talente in der Kreisklasse entdeckt wurden, konnte aus dem FC Bayern und der DFB-Elf etwas werden.