US-Todeskandidat kämpft um Revision

Ein zum Tode verurteilter schwarzer Texaner kämpft noch kurz vor der Hinrichtung um ein faires Gerichtsverfahren

BERLIN taz ■ Natriumpethotal, Pancuroniumbromid, Kaliumchlorid. So lauten die chemischen Stoffe, die dem schwarzen Todeskandidaten Farley C. Matchett am nächsten Dienstag verabreicht werden sollen. Der Tod durch Injektion, meldet die Homepage des Justizministeriums im US-Bundesstaat Texas, wird nach 7 Minuten festgestellt.

Der 43-jährige Matchett hat zwei Wochen vor seiner geplanten Hinrichtung einen öffentlichen Protestbrief geschrieben, um eine Wiederaufnahme seines Verfahrens zu erreichen. „Mein Fall ist nur ein Beispiel für die willkürliche Verhängung der Todesstrafe“, schreibt Matchett. Er wirft dem Staat Texas einen unfairen Prozess vor.

Matchett ist einer von 447 zum Tode Verurteilten in texanischen Gefängnissen. Seit 30 Jahren führt Texas die US-Statistik der Hinrichtungen an. Allein in diesem Jahr wurden dort 17 von US-weit 41 Todesurteilen vollstreckt. Der US-Supreme Court hat texanische Todesurteile mehrfach aufgehoben, zuletzt im November 2004. In Texas selbst kam es nur in drei Prozent der Fälle zu einer Aufhebung des Todesurteils durch Berufungsgerichte – ebenfalls US-Rekord.

Insgesamt wurden in den USA seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 über 1.000 Menschen hingerichtet. Nur 12 von 50 Bundesstaaten haben die Todesstrafe wieder abgeschafft.

Laut Gerichtsurteil erstach Matchett im Juli 1991 den Texaner Uries Anderson in Houston, um Geld für Kokain zu stehlen. Er wurde festgenommen, als er einen gefälschten Scheck einlösen wollte, und im anschließenden Prozess wegen Mord zum Tode verurteilt. Matchett dagegen behauptet, er habe Anderson in Notwehr getötet. Als ein Konflikt um die Begleichung von Schulden eskalierte, so Matchett, habe Anderson ihn angegriffen und ihm ein Messer an die Kehle gehalten. In einem Akt der Selbstverteidigung habe er Anderson niedergestochen.

Dass diese Details des Mordfalles nie ans Licht kamen, liegt laut Matchett an dem ungerechten Strafprozess. Sein Pflichtverteidiger hätte ihm nur ungenügend Rechtsbeistand geleistet und es versäumt, während des Verfahrens notwendige Einwände vorzubringen. Auch habe dieser auf eine ausführliche Untersuchung des Falles verzichtet und ihn überredet, ein umfassendes Schuldbekenntnis abzulegen. Damit sei ihm die Chance genommen worden, die Rechtmäßigkeit des Verfahrens vor Gericht anzuzweifeln.

Während im Fall des weißen Todeskandidaten Ricky Kerr ein Verfahren aufgrund ähnlicher Fehler im Prozess wieder aufgenommen wurde, habe er bisher keine Aussicht auf Revision gehabt. „Der einzige Unterschied zwischen ihm und mir ist, er ist weiß und ich bin schwarz“, schreibt Matchett. In den USA stellen Schwarze 12 Prozent der Bevölkerung, aber 42 Prozent der zum Tode Verurteilten.

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, darunter die „Nationale Koalition zur Abschaffung der Todesstrafe“ und amnesty international (ai), unterstützen Matchett beim Versuch, eine Revision durchzusetzen. Deren Meinung nach hätte Matchett zumindest Anspruch auf Gehör seiner Verteidigung. Sollte eine Begnadigung nicht möglich sein, bittet ai um einen 30-tägigen Aufschub der Hinrichtung, um mutmaßliche Verfahrensfehler zu untersuchen. Bereits im Juli hatte die französische Schauspiellegende Brigitte Bardot in einem Brief an den texanischen Gouverneur Rick Perry und US-Präsidenten George W. Bush gegen die Hinrichtung Matchetts protestiert.

Die niedersächsische Aktivistin Angelika Weißschläger, die seit fünf Jahren mit Matchett Kontakt hat, hofft auf einen Erfolg der Kampagne. Matchett habe sich bei ihrem letzten Besuch vor einem Monat sehr zuversichtlich gezeigt. Auch sein jetziger Anwalt rechne mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens. RUTH STREICHER