AMBROS WAIBEL ÜBER BLICKE POLNISCH LERNEN KANN SIE IN DEN WAHNSINN TREIBEN ODER IHRE ZUNGE SCHÄDIGEN. FANGEN SIE SOFORT DAMIT AN! SO EIN IRRSINN
: O weiha! Uwaga!

Freitag

Meike Laaff

Nullen und Einsen

Montag

Barbara Dribbusch

Später

Dienstag

Jacinta Nandi

Die gute Ausländerin

Donnerstag

Margarete Stokowski

Luft und Liebe

Freitag

David Denk

Fernsehen

Wenn man beginnt, Polnisch zu lernen, stellen sich verschiedene Fragen; und es wäre gelogen, würde man nicht bekennen, dass die erste diese ist: Wer hat sich diesen Irrsinn ausgedacht?

Denn was sagt zum Beispiel der Lern-CD-Vorleser (beziehungsweise: Co mówi lektor, kurwa mac?!) in Übung 3, Seite 8 des Lehrbuchs Polski krok po kroku (Schritt für Schritt)?

Sagt er szesc oder czesc? Sagt er dziewiec oder dziesiec? Sagt er krzwy oder grzby?

Wir sechs Zungenakrobaten, die den Kurs in einer polnischen Buchhandlung in Berlin-Neukölln besuchen, sagen jedenfalls oft: Przepraszam, nie rozumiem. Und das meinen wir auch so, wir verstehen den Vorleser nicht und wir entschuldigen uns dafür. Und eigentlich würden wir auch sagen wollen, dass wir jetzt ein bisschen weinen möchten – aber das können wir noch nicht.

Sagte ich „wir sechs“? Ich fürchte, einer von uns hat schon aufgegeben. Denn spätestens ab der dritten Stunde konnte man nicht mehr nach der Methode vorgehen, die verschiedenen Zischlaute munter zu mischen und auf vorauseilendes Verstehen, zumindest auf das Verständnis unserer Lehrerin Joanna zu setzen. Sie ist sehr nett und sehr streng. Wenn wir die Konsonanten verwursteln, dann sagt sie: Schau auf mich! Und sie sagt: Ihr müsst lächeln. Und dann lächelt sie. Und wir machen es ihr nach. Und dann schaffen wir es auch, dieses weiche Sch zu sagen, in zeby (um) zum Beispiel oder in osiem (acht).

Die zweite Frage, die man sich beim Polnischlernen stellt, ist: Warum habe ich so lange damit gewartet, seit anderthalb Jahrzehnten 70 Kilometer von der Grenze entfernt lebend? Warum fahre ich jetzt erst die fünf bequemen und preiswerten Zugstunden nach Warschau? Woher, um es dann mal in seiner ganzen Tragweite zu sagen, woher kommt die Arroganz, mit der ich nach Osten geschaut habe und die ich mir mit Blick nach Süden oder Westen nie erlaubt hätte (auf Dänischlernen habe ich immer noch keine Lust).

Um es mit Wikipedia zu sagen: „Der Polnischunterricht besitzt an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland zahlenmäßig nur eine geringe Bedeutung.“ Und das hier auch noch: „Vergleichsgröße für den Polnischunterricht in Deutschland ist häufig das Niederländische, das Dänische [!] oder das Tschechische. Vergleichsgröße für den Deutschunterricht in Polen ist dagegen die Weltsprache Englisch.“ Weil Polen uns überfallen hat und nun Wiedergutmachung leisten möchte, wahrscheinlich.

Die dritte Frage, die ich mir in meinem Polnischkurs stelle, ist gar keine: So eine schöne, elegante, altertümliche Sprache! Und was für eine wunderbare Schreibform mit ihren Pünktchen, Häkchen, Strichen und Akzenten – die Sie hier nicht sehen können, weil wir bei der multikulturellen taz nicht auf das polnische Alphabet eingestellt sind. Und wie peinlich-lustig, wenn man etwa den Namen Jerzy, seit man ihn zum ersten Mal gelesen, Tschersi ausgesprochen hat und inzwischen ganz selbstverständlich erkennt, dass Georg auf Polnisch wie „Jesche“ klingt.

Jedenfalls so ungefähr.