Zittern Ost, Zuversicht West

Die Westdeutschen sind unbeschwert wie seit Jahren nicht mehr. Gerade die Angst vor Jobverlust sank. Ostdeutsche aber plagen mehr Sorgen als je zuvor seit 1990

BERLIN taz ■ Es geht aufwärts. Deutschland lächelt wieder. Weniger als zuvor drückt die Sorge um den Arbeitsplatz oder die Furcht, im Alter mittellos dazustehen. Auch wenn sie den Politikern wenig zutrauten – zumindest die Westdeutschen blicken unbeschwert wie seit Jahren nicht mehr in die Zukunft.

Seit 15 Jahren durchleuchtet eine repräsentative Studie im Auftrag der R+V Versicherung jeden Sommer die Ängste der Nation. Das aktuelle Ergebnis hat selbst Manfred G. Schmidt, der als Politologe der Uni Heidelberg die Studie auswertet, überrascht. „Eine solche Ost-West-Kluft habe ich nicht erwartet.“

Denn den Aufschwung im Gemüt erlebt nur der Westen. Der Osten ist so pessimistisch wie noch nie seit der Wendezeit. So haben nur 38 Prozent der Baden-Württemberger große Angst vor der Zukunft – aber 61 Prozent in Sachsen-Anhalt. Im Schnitt fühlen sich 55 Prozent der Ost-, aber nur 43 Prozent der Westdeutschen von Sorgen geplagt.

Bundesweit einheitlich hingegen ist das Ranking, was als besonders bedrohlich gilt. In die vorderen Ränge schafften es weder die Angst vor Krankheit noch die vor einem Scheitern der Ehe. Unangefochten auf Platz eins rangiert die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten. „Die Energiepreise und die höhere Mehrwertssteuer drücken aufs Gemüt“, sagt Schmidt.

Grundsätzlich gilt: Die Deutschen bangen stärker um die allgemeine Wirtschaftslage als um ihr persönliches Wohl. Am stärksten zurück ging mit minus 14 Prozent die Furcht, den Job zu verlieren. Schmidt begründet das nicht nur mit geänderten Wirtschaftsdaten. Er vermutet auch einen Effekt, der auch 1998 spürbar gewesen sei: Wenn die Regierung wechselt, hofft die Bevölkerung auf bessere Zeiten.

Einen Sonderfall stellt Berlin dar. Nirgends ist die Angst vor Terroranschlägen so hoch wie in der Hauptstadt, wo sich 56 Prozent vor U-Bahn-Bomben und anderen Attentaten fürchten. Und nirgends ist das Vertrauen in die Politiker so gering.

Wer sorgenfrei leben will, sollte laut Studie dreierlei haben: einen Wohnsitz in Baden-Württemberg, Abitur oder einen Hochschulabschluss. Kaum etwas allerdings entspannt so sehr wie ein prallgefülltes Konto: Ab 3.000 Euro Nettoeinkommen pro Haushalt sinkt das Sorgenniveau. Und zwar drastisch.

COSIMA SCHMITT