Rivalen der Leidenschaft

Wenn WM-Gastgeber Deutschland heute auf Holland trifft, wird die traditionelle Gegnerschaft zwischen den Hockey-Großmächten beschworen. Dabei ist der Nachbar den Deutschen längst Vorbild

Aus Mönchengladbach Daniel Theweleit

Ein typisches Heimspiel wird es nicht geben, wenn die deutsche Hockeynationalmannschaft am heutigen Samstag bei der Weltmeisterschaft auf Holland trifft (15:15 Uhr, live im WDR). Denn bei der Wahl des Standortes für Deutschlands nationales Hockeystadion hat man sich ganz bewusst für Mönchengladbach entschieden, weil das so nah an der Grenze zum niederländischen Nachbarland liegt. Und dessen Bewohner gelten ja ganz im Gegensatz zu den Deutschen als hockeyverrückt. Also ist damit zu rechnen, dass das eher reservierte einheimische Hockeypublikum von der orangefarbenen Masse deutlich an Lautstärke und Farbgewalt übertroffen werden wird. Aber die Verantwortlichen freut dieser Umstand.

Denn man möchte der Öffentlichkeit und den eher zahmen Hockeyfans gerne einmal vorführen, wie eine ausgewachsene Leidenschaft aussehen kann. In der Hoffnung, dass der Funke überspringen möge. Die Voraussetzungen dafür seien nach der Fußball-WM „günstiger als je zuvor“, findet Weltverbandschefin Els van Breda Vriesman, eine Holländerin. „Bei uns wurde vor einigen Jahren ein Plan geschrieben, in dem genau drinstand, wie man die Popularität steigern kann, Schritt für Schritt“, sagt sie, „und die Deutschen haben jetzt auch so einen Plan.“

Es ist ein Plan, den man tatsächlich von den Nachbarn übernommen hat. „Die Holländer haben in den letzten 15, 20 Jahren sehr vieles richtig gemacht und sind auf einem Weg, den wir nun auch bestreiten“, sagt Uschi Schmitz, die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Hockeybundes (DHB). Seit dem Jahr 2000, als es dem Verband „wirtschaftlich nicht besonders gut ging“, so Schmitz, kooperieren die Verbände. „Wir haben um Unterstützung und Know-how gebeten, und die haben uns viele Einblicke gegeben, wie man was besser machen kann; seit dieser Zeit haben wir sehr profitiert.“ Ohne diese Initiative wäre wohl auch die WM nicht nach Deutschland vergeben worden.

Dankbarkeit ist also angebracht, aber davon wollen die Akteure nichts wissen. Denn unter den Sportlern wird die ganz besondere Rivalität der Länder, die seit Jahren zu den besten Hockeynationen der Welt zählen, liebevoll gepflegt. „Bei diesem Turnier hinter den Holländern zu landen wäre das Schlimmste, was passieren kann“, sagt Nationalstürmer Christopher Zeller, der nach der WM zum holländischen Edelklub HC Bloemendaal, dem FC Barcelona des europäischen Hockeys, wechselt.

Den Spott der künftigen Kollegen will er sich ersparen, denn unter den Spielern ist die Rivalität ähnlich ausgeprägt wie im Fußball. Abwehrchef Philipp Crone macht sich in einer Kolumne auf der Homepage des DHB schon einmal lustig über den Gegner: „Was ist das? Es ist orange, trägt Sonnenbrille und pfeift unentwegt. Klar, der gemeine Holländer vor dem Spiel. Und das? Es ist orange und kann nur ein Lied, das mit ‚Schade‘ anfängt. Klar, der holländische Fan“, schreibt Crone. Und auf die Frage, ob es unter den Übungsleitern der beiden Länder Austausch gebe, antwortet Bundestrainer Bernhard Peters trocken: „Das brauchen wir nicht.“

Der Verband indes folgt dem holländischen Vorbild. Man will über eine Vielzahl von Großveranstaltungen für den Sport werben. 2002 hat der DHB die sogenannte Veranstaltungsoffensive begonnen. 8 Prozent Zuwachs auf insgesamt 65.000 Mitglieder verzeichnete der Verband seither, doch von holländischen Dimensionen ist man weiterhin weit entfernt. Der dortige Nationalverband hat 180.000 Mitglieder.

Hierzulande hat Hockey vor allem in den neuen Bundesländern Akzeptanzproblem. Das liegt gewiss auch daran, dass das Spiel traditionell ein Sport der höheren Gesellschaftsschichten ist und in der DDR nicht gefördert wurde. „In Holland hatte Hockey auch lange Zeit diesen Ruf“, sagt Weltverbandschefin van Breda Vriesman, „aber wir haben alle daran gearbeitet, dass das nicht mehr so ist.“ In Deutschland wirken Bestrebungen in diese Richtung jedoch eher zaghaft, immer noch sprengen Beiträge und Aufnahmegebühren vieler Hockeyklubs das Freizeitbudget der meisten Familien. „Wir wissen schon, dass unsere Struktur so ist, dass eher der gehobene Mittelstand und Leute mit höherem Bildungsniveau zu uns kommen“, sagt Uschi Schmitz, doch das wolle man auch „gar nicht unbedingt abstellen“. Und dann fügt sie schnell hinzu: „Aber wir wollen das Elitäre auf keinen Fall fördern.“