Ein Plus im Truppenetat – an Aufmerksamkeit

Libanoneinsatz befördert die Forderung nach mehr Geld für die Bundeswehr. Opposition: Erst Strukturreformen

BERLIN taz ■ Der Sprecher des Entwicklungsministeriums will „die Einzelmeinung nicht kommentieren“. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums sieht sein Haus „nicht betroffen“. Und der Sprecher des Finanzministeriums schüttelt bloß den Kopf und blickt vor sich aufs Pult.

Der Vorstoß des CDU-Abgeordneten Ole Schröder, demnächst humanitäre Bundeswehreinsätze etwa in Afghanistan oder im Kongo aus dem Topf der Entwicklungshilfe zu finanzieren, blieb gestern regierungsseitig unbeantwortet. Nur die Grünen reagierten: „Absurde Idee“, teilte Fraktionschefin Renate Künast mit. Im Vergleich zum Militär werde zu wenig für die Entwicklungshilfe ausgegeben.

Angesichts des Marineeinsatzes vor dem Libanon, über den das Kabinett wahrscheinlich kommende Woche entscheiden wird, sind allerdings noch mehr Beiträge zu der Frage zu erwarten, was die Bundeswehr leisten kann und ob sie dafür gut genug ausgerüstet ist.

Viele Unionspolitiker möchten gern das Signal senden, dass ihnen die Bundeswehr am Herzen liegt, und verlangen darum 1 Milliarde Euro mehr für die Truppe. Unter Rot-Grün war der Verteidigungsetat jahrelang faktisch, also inflationsbereinigt, gesunken. Nun ist ein Plus von 480 Millionen Euro auf dann 28,4 Milliarden Euro für 2007 ohnehin bereits geplant. Dieses wird allerdings zu einem beträchtlichen Teil von der Mehrwertsteuererhöhung wieder geschluckt.

Kanzlerin Angela Merkel hat diese Woche gesagt, angesichts all der Verpflichtungen im Ausland sei der Verteidigungshaushalt aufzustocken. Ihr Regierungssprecher Ulrich Wilhelm bezog dies später aber auf die kommenden 20 Jahre.

Die Opposition warnt dennoch davor, der Bundeswehr einfach mehr Geld zu geben, ohne in der Transformation, dem Umbau der Kalte-Kriegs-Wehr zu einer flexiblen Weltweit-Eingreiftruppe, Strukturreformen durchzusetzen.

Diese würden von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) jedoch eher ausgebremst, meint etwa der grüne Verteidigungspolitiker Alexander Bonde. Jung habe das Outsourcing zurechtgestutzt und folge der Traditionalistenlinie, die Bundeswehr „muss alles selber machen können“, erklärt Bonde. So habe Jung mutwillig jüngst die Privatisierung der Truppenküche scheitern lassen. Grundsätzlich, sagt Bonde, wachse der Druck für Strukturreformen jedoch. Denn „es ist dem Steuerzahler einfach schwer zu erklären, warum Streitkräfte aus 250.000 Leuten überfordert sind, wenn 8.000 von ihnen ins Ausland müssen“.

Die Linksfraktion im Bundestag legt bei der Anmahnung von Reformen weniger Wert aufs Outsourcing. Hat sie doch grundsätzlich Zweifel daran, ob Effizienzgewinne durch Markt und Wettbewerb bei nur einem einzigen Kunden überhaupt zu erzielen sind.

Linksfraktionist Paul Schäfer erinnerte diese Woche im Bundestag eher daran, dass es immer noch keine Diskussion über das „Weißbuch“ gibt, das Jung für dieses Jahr versprochen hat und in dem Zukunft und Aufgaben der Bundeswehr beschrieben werden sollen. Dieselben Leute, die mehr Geld forderten, hätten gar keine Antworten auf das Wofür, sagte Schäfer. Der Linke fragt: „Wo gehen wir mit der Bundeswehr hin? Warum? Was liegt in unserem Interesse, was nicht? Wenn wir nicht überall dabei sein können und wollen – andere tun das ja auch nicht –: Nach welchen Kriterien entscheiden wir über deutsche Beteiligung? Wo hat militärisches Krisenmanagement geholfen, wo versagt?“ ULRIKE WINKELMANN