Keine Idylle auf dem Land

KINDERSCHUTZ Eine Expertin fordert niedrigschwellige Angebote in Gemeinden und Dörfern. Dort gäbe es zu wenig Hilfsangebote, aber nicht weniger Gewalt

Die Kinderschutzexpertin Mareike van t’Zet hat einen besseren Kinderschutz in ländlichen Gebieten angemahnt. „Wir brauchen Geld, Lobby und kreative Ideen für niedrigschwellige Hilfsangebote in den Dörfern und Gemeinden“, sagte die Leiterin des Oldenburger Kinderschutzzentrums gestern am Rande einer Fachtagung in Oldenburg. „Wir müssen uns von der scheinbaren Idylle verabschieden, dass Gewalt und Missbrauch auf dem Lande weniger vorkommen, als in den Städten.“

Neben der scheinbaren heilen Welt gebe es in den ländlichen Gebieten auch eine große soziale Enge, sagte die Psychologin. Misshandelte Frauen trauten sich oft nicht, sich jemandem anzuvertrauen. Sie fürchteten, dass am nächsten Tag das ganze Dorf über die Verhältnisse in der Familie informiert ist.

Die Wege zu den Beratungszentren in den Städten seien aber oft weit und mit dem öffentlichen Nahverkehr kaum zu bewältigen. „Wenn Sie dann noch mehrere Kinder haben, haben Sie ein echtes Problem“, sagte sie. In den großen Landkreisen sei die Situation am schwierigsten.

Abhilfe könnten mobile Beratungen an bestimmten Tagen in Gemeindehäusern, Grundschulen oder Sportvereinen schaffen, sagte van t’Zet. Dies hätten die Mitarbeitenden auch schon mit großem Erfolg praktiziert. Ein anderes Modell sei das „Café Kinderwagen“. Ein normaler Treffpunkt für Mütter, in dem sie mit Familienhelferinnen, Hebammen und weiteren Experten reden könnten. Doch sei ein solches Angebot auf Dauer nicht zu leisten. Für eine Stunde Beratung – etwa in Ostfriesland – benötigten die hoch qualifizierten Mitarbeiter allein für die An- und Abfahrt rund zwei Stunden. Die Zeit fehle dann in der Beratung.

Doch nicht nur Kinder und Eltern bräuchten Unterstützung, sondern auch Lehrer und Erzieherinnen. Nach dem neuen Bundesjugendschutzgesetz sind sie verpflichtet, auf Hinweise von Misshandlungen zu achten. „Die Lehrer sind damit völlig überlastet“, sagte die Expertin.

An der Tagung nehmen neben Kinderschutzexperten Lehrer, Schulsozialarbeiter, Sozialpädagogen und Ehrenamtliche aus Niedersachsen teil.  (epd)