LESERINNENBRIEFE :
Grund für Misstrauen
■ betr.: „Ab in die Altersarmut“, taz vom 10. 3. 14
Wenn EU und Weltbank, beide fest verwurzelt im neoliberalen Irrdenken, ein Rentensystem wie das Drei-Säulen-System empfehlen, gibt es guten Grund misstrauisch zu sein. Die Grundidee einer Armut vermeidenden Mindestrente ist mit einem reinen Umlage- und Solidarsystem schließlich vollkommen kompatibel – man muss nur die „Aufstockergelder“ aus Steuermitteln bezahlen und hat ebenfalls ein gerechtes System. Das Solidarmodell der alten BRD ist geldwertsicher, einfach und leicht durchschaubar.
Das Drei-Säulen-Modell bedeutet nichts anderes als die möglichst reibungslose Privatisierung der Renten – und möglichst viele Versicherungskonzerne sollen damit verdienen. Heute kann man lesen, dass die Groko per Gesetz in das private Lebensversicherungswesen eingreifen und die Garantiezinsen deckeln will, weil die Versicherer zu wenig für ihre Aktionäre verdienen. Ebenso entlässt man mit dem Drei-Säulen-Modell viele Gutverdiener aus ihrer Verantwortung. Die Spreizung der Renten in Drei-Säulen-Modellen wie zum Beispiel in der Schweiz, ist oft sehr hoch, während im deutschen Rentensystem bislang die Maximalrente gedeckelt war. Denn nur wer viel einzahlen will, erhält lukrative Zinsen. Dass Drei-Säulen-Modell hilft darum Niedrigverdienern nicht; das einzige, was helfen würde, wären faire Löhne, eine Abschaffung von Werkverträgen und Leiharbeit und die Wiedereinführung von Kapitalsteuern zur Unterstützung der Sozialsysteme, solange die Löhne zu niedrig sind und dem Produktivitätszuwachs hinterherhinken. Darum kann die Forderung nur lauten: Zurück zur Solidarrente, aber als solidarische Bürgerversicherung, in die wirklich alle einzahlen, mit degressiver Auszahlung, Maximal- und Mindestrente und erhöhter Beitragsbemessungsgrenze. MICHAH WEISSINGER, Essen
Es gibt den Bumerangeffekt
■ betr.: „Irrsinn, in der Tat“, taz vom 8. 3. 14
Wie Recht und gleichzeitig wie Unrecht hat Herr Trittin in dem Interview. Handelssanktionen würden tatsächlich die Oligarchen und Freunde Putins treffen und könnten damit ein probates Mittel sein, auf solche Aggressionen zu reagieren. Aber es gibt ja leider den Bumerangeffekt. Und dem will sich gerade unsere neokapitalistisch ausgerichtete Regierung nicht aussetzen.
Aber es wird auch die Möglichkeit angesprochen, die Energieimporte aus Russland zu reduzieren; zwar nicht von heute auf morgen, aber für die Zukunft. Nur bedarf es dazu des weiteren und vor allem schnelleren Ausbaus der erneuerbaren Energie, anstatt diese durch Begrenzung und Auflagen zu bremsen, wie Herr Gabriel und Frau Kraft das ja zu Gunsten der Kohle durchziehen wollen. Denn dann geraten sie in den Konflikt mit den großen vier Oligarchen der Energiewirtschaft in Deutschland, wodurch deren Gewinne durch exportierte Kohleenergie innerhalb Europas entscheidend beschnitten würden. Auch wenn sich das zunächst etwas komisch anhört, so wäre aber der Ausbau der erneuerbaren Energie nicht nur Teil des Klimaschutzes, sondern auch praktizierte Außenpolitik, zumindest gegen Putins Russland. ALBERT WAGNER, Bochum
Es stehen Fragen im Raum
■ betr.: „Das Schnittmuster des Kalten Krieges“, taz vom 12. 3. 14
Stefan Reineckes Kommentar zur Ukrainekrise zeigt politischen Scharfsinn und spart auch die Benennung der Ursachen dieses Konfliktes nicht aus. Wer amerikanische Truppen im Irak gutheißt, darf russische Soldaten auf der Krim nicht verteufeln. Wer es für „rechtmäßig“ hält, russisches Kapital in Amerika einzufrieren, darf sich über das Einziehen von westlichem Vermögen in Russland nicht wundern. Und als die EU die völkerrechtswidrige Abspaltung des Kosovo von Serbien bejubelte, hat sie wohl nicht an die Möglichkeit von Abspaltungen anderer Regionen gedacht. Dies findet jetzt statt; ist meiner Ansicht nach auch völlig okay, solange die Minderheiten im neuen Rechtssystem „Krim“ gleichberechtigt behandelt werden. Es stehen jetzt Fragen im Raum; in erster Linie betreffend Katalonien und das Baskenland aber auch „give ireland back to the irish“. Ich bin gespannt. MICHA HOCHSTÄTTEN, Bad Kreuznach
Sicherheitsabstand einhalten
■ betr.: „US-Jets über dem Baltikum“, taz vom 11. 3. 14
Russland wird in wichtige internationale Entwicklungen seit Jahren nicht ausreichend einbezogen und isoliert. Der taz-Bericht erinnert, wie die Einbindung Russlands in die europäische Sicherheitsarchitektur eben nicht gelang und einseitig die Ausdehnung von EU und Nato nach Osten vollzogen wurde. Endgültig brüskiert wurde Russland durch den masslos überzogenen Nato Luftkrieg gegen Libyen, für den ein noch mit russischer Duldung erteiltes UN-Mandat zum Vorwand genommen wurde. Als grausame aber nachvollziehbare Konsequenz blockiert Russland alle Versuche, im Syrienkonflikt eine geschlossene internationale Haltung einzunehmen.
Der jetzige Versuch einer schwach geführten, innerlich nicht gefestigten, in großen Teilen finanziell und wirtschaftlich schwer angeschlagenen, reformbedürftigen EU, ihren Einflussbereich auf die Ukraine auszudehnen, musste von Russland als Aggression empfunden werden. Russland weiter in die Enge zu treiben, schwört unabsehbare Gefahren herauf. Eine gewisse Hemisphärenabgrenzung gibt Berechenbarkeit, Sicherheit und stört auch den Handel nicht unbedingt. Die seinerzeitige UdSSR war im kalten Krieg ein verlässlicher Handelspartner.
Die US-Jets sollten Sicherheitsabstand halten. MARTIN OBST, Hemer
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