MONSTERFLOHMARKT
: Chips und Cola

Der Song mit dem besten Text des Jahres

Um acht Uhr früh kommen die Händler. Sie scharen sich wie die Fliegen um arme Privatverkäufer, die müde allerlei Klumpert hervorkramen, um es möglichst ansehnlich auf dem Flohmarkttisch zu platzieren. Sie zischen immergleiche Fragen: „Haben Sie Silber? Schmuck? Parfüm?“ Moment mal: „Sehe ich aus wie jemand, der ansehnliche Mengen Silber zu versetzen hat? Oder Parfum benutzt?“

Aber Ironie wird hier am frühen Morgen nicht verstanden. Mit ernster, wahrscheinlich schlicht fachmännischer Miene schichten Buchhändler vorsichtig die Stapel von Hardcovern und Paperbacks um. Einer bietet 35 Euro für zwei Plastiktüten voller Bücher. Er kommt einem seltsam bekannt vor. Es ist der Antiquar aus der Prenzlauer Allee, der einem in ein, zwei Monaten eines dieser Bücher („Wo ist denn diese Ausgabe von X, die hatte ich doch mal?!“) zurückverkaufen wird. Der Flohmarkt am Mauerpark ist ein Monster.

Mittags kommen die Eltern und begutachten Kinderkleidung. „Meinst du nicht, das würde Anton-Lukas gefallen?“ – „Aber nein, da sind ja Blumen drauf, und Rot finde ich für einen Jungen zu krass.“ So viel zur frühkindlichen Geschlechterprägung.

Und dann, ja dann schlendert der Sänger von Chuckamuck vorbei. Er ist vielleicht 18, 19 Jahre alt, jedenfalls unglaublich jung. Wer ihn live gesehen hat, zum Beispiel beim Down by the River Festival in der Bar25 im Sommer, hat gleich wieder einen Ohrwurm im Hirn von dem Song mit dem besten Text des Jahres: „Autofahren / Auf der Autobahn / Tankstelle / Chips und Cola holen / Weiterfahren“.

Toller Song. Tolle Band. So viel Energie. Das muss man doch mal sagen dürfen. Und das sagt man dann auch. Und er bleibt ganz cool. Aber dann hört man es doch noch, während er wieder in der Menge verschwindet: „Das erste Mal … mich einer erkannt, yeah!“ KIRSTEN REINHARDT