„Die Welt hat sich geändert, wir nicht“

Der amerikanische Politberater Benjamin R. Barber glaubt daran, dass die Kunst die Menschheit aufklären kann

Benjamin R. Barber (67) beriet einst Bill Clinton und Roman Herzog. Der renommierte Professor für Zivilgesellschaften an der Universität Maryland machte einen Abstecher nach Düsseldorf, um das New Yorker Wow Theater im FFT zu sehen und zu unterstützen. Barber weiß, worüber er spricht, er stammt aus einer Theaterfamilie, ist mit der US-amerikanischen Performerin Leah Kreutzer verheiratet und war schon einmal Off-Broadway-Direktor. Die taz sprach mit ihm über Kunst und Politik:

Ist Kunst die letzte Hoffnung der Menschheit?

Das ist sie, aber das sagt nicht viel. Wenn das unserer letzte Hoffnung wäre, dann wäre das tragisch. Von Kunst kann man nicht erwarten, dass sie die praktischen Probleme der Welt löst. Sie unterstützt eher den Geist. Josh Fox beispielsweise versucht mit seinem Theater unsere Imagination breiter zu machen. Ohne Imagination ist man unfähig die Welt zu verstehen. George W. Bush fehlt Imagination.

Wie groß ist der Einfluss von Theater auf Gesellschaften und ihre Politiker?

Er mag sehr groß sein, aber im Kapitalismus ist das schwierig. Wenn Profit statt Imagination wichtig ist, dann ist Kino, Fernsehen und Internet viel wichtiger als Theater, was für uns immer die Hauptkunst war. Es ist ein großes Problem, dass die jungen Leute nicht mehr ins Theater gehen, wo die Gesellschaft durch Brecht oder Shaw oder von Peter Brook gespiegelt wird.

Liegt das vielleicht auch daran, dass diese Medien gar keine Realität mehr abbilden?

Teilweise. Dort muss immer auch großer Profit gemacht werden. Film und TV können zwar manchmal auch ein Spiegel sein, aber eben kein Prisma. Das beschreibt den Unterschied zwischen Entertainment und Kunst.

Also war die Berichterstattung über den Irak-Krieg auch Entertainment?

Ja, ja, genau. Oliver Stone hat gerade seinen Film „World Trade Center“ zu 9/11 gemacht. Sehr ernsthaft und seriös. Aber es muss doch Entertainment sein um Geld zu verdienen.

Sie haben den Begriff des asymmetrischen Kriegs geprägt. Was ist das?

Macht an sich hat sich geändert. Heute kann man seine Feinde nicht mehr mit Flugzeugen und Bomben vernichten. Das ist ein Wandel der Realität. Wir tun immer noch so, als würden wir im 19. Jahrhundert leben, mit Grenzen und Nationalstaaten. Terroristen denken so nicht. Sie sind im Prinzip Bad NGOs. Man kann für 9/11 keinen Staat mehr verantwortlich machen und bekämpfen. Die Welt hat sich geändert, wir nicht. Die Kunst könnte uns da mit Fantasie helfen.

Gibt es noch ein Leben nach der Globalisierung?

Es muss. Die Frage ist nur was für ein Leben. Mit oder ohne Kunst? Mit oder ohne Freiheit und Furcht? Doch diese Frage muss erst noch beantwortet werden.

INTERVIEW: PETER ORTMANN