Wundersamer Fanschwund

Westfalia Herne verliert im DFB-Pokal 1:2 gegen Zweitligist Aue. Dennoch feiert der Traditionsverein aus dem Ruhrpott eine große Party – sogar Schauspieler Joachim Król beehrte seine Heimatstadt

AUS HERNEROLAND LEROI

Als die Herner immer noch nicht nach Hause gehen wollten, griff Joachim Król zum Mikrofon und bedankte sich für den „tollen Nachmittag“. Er habe es „genossen“, sagte der Schauspieler („Der bewegte Mann“) und trank ein Bierchen. Der 49-Jährige trug beim DFB-Pokalspiel SC Westfalia Herne gegen Erzgebirge Aue das Trikot der Hausherren und stand in der proppenvollen Fankurve im „Stadion am Schloss Strünkede“. Von der knappen 1:2-Niederlage wollte sich Król die Laune nicht verderben lassen. Fotografieren lassen wollte er sich aber nicht in seiner Freizeit.

Erstmals nach 28 Jahren, als die Westfalia im DFB-Pokal dem 1. FC Köln vor 12.000 Zuschauern unterlag, schien halb Herne wieder auf den Beinen zu sein. Weit über 10.000 Fans trieben ihre Weiß-Blauen nach vorne. „Das war wie eine Messe für meinen Alten“, sagte höchst melancholisch der gebürtige Herner Król, der in seiner Jugend gemeinsam mit seinem Vater zu den Spielen des Traditionsvereins pilgerte.

„Wir haben bei uns zwei Zuschauer-Kategorien. Zunächst die aus der goldenen Zeit und dann die aus der Goldbach-Ära“, erzählte der aktuelle Westfalia-Präsident Jürgen Stieneke. Unter seinem Vorgänger Erhard Goldbach gehörte Herne bis 1979 der 2. Liga an, ehe sich der Mäzen finanziell verhob und der Verein in den Niederungen des Amateurfußballs verschwand. Aus der sechstklassigen Landesliga ging es mittlerweile wieder hoch in die Oberliga Westfalen, doch noch weit ist man von früheren Triumphen entfernt. 1959 und 1960 erreichte Herne jeweils die Endrunde um die deutsche Meisterschaft. Die Nationalspieler Helmut Benthaus und Hans Tilkowski, der 1966 später im Wembley-Tor stand, gehörten zu den Helden der Westfalia, die wöchentlich viele tausend Menschen anlockten.

Am Schloss Strünkede scheint die Zeit allerdings stehen geblieben zu sein. Das 1932 erbaute Stadion, in das immer noch 28.000 Zuschauer passen, sieht baufällig aus, ist es aber nicht. „Ganz Herne unterstützt uns“, sagte der 59-jährige Stieneke. Für das Pokalspiel habe das städtische Grünflächenamt eigens unentgeltlich den Rasen geschnitten. Der Strom für die Medienvertreter und Kamerateams kam vom Technischen Hilfswerk, die alte Tribüne wird regelmäßig instand gehalten. Sogar das historische „Büdchen“, ein Nachbau der ältesten Herner Seltersbude von 1891, das dem Verein mal gespendet wurde, blitzte geschniegelt, um den Durst aller überlebenden Zuschauer aus den goldenen Jahren zu löschen. In der Oberliga spielt der SC Westfalia normalerweise nur vor rund 300 Fans. „Ich war auch ewig nicht mehr hier“, meinte Król, der eigens Dreharbeiten unterbrach, um seine Herner zu unterstützen. Ex-Held Tilkowski wurde nicht gesehen. „Der hat auch schon lange kein Verhältnis mehr zur Westfalia und nennt uns immer nur einen Amateurclub“, schimpfte Stieneke, als überregionale Medien nach dem wohl bekanntesten Herner Alt-Internationalen fragten. „Der komische Heini soll sich in den Verein einbringen und nicht von außen meckern“, meinte der Präsident.

Für 2.819,99 Euro versteigerte der Verein sogar die Trikotwerbung für das Match an eine Zahnklinik. Auch Fanclubs aus Dresden sollen bei der Internet-Auktion mitgeboten haben und wollten den Schriftzug „Die wahre Nummer 1 im Osten sind wir“, auf den Trikots unterbringen. Als Kaufleute präsentierten sich die Herner auch bei der Abrechnung, die offiziell nur 5.000 Zuschauer aufwies. „Pro Mannschaft, oder wie?“, fragte Aue-Trainer Gerd Schädlich, während sich sein Marketingleiter Enrico Barth wegen der geringeren Auszahlung im Kabinenflur echauffierte. Im Pokal werden die Einnahmen unter den Vereinen aufgeteilt. „Unglaublich, jeder hat gesehen, dass über 10.000 Menschen im Stadion waren“, schimpfte Barth.

Im Spiel bescherte Westfalia Herne den hochfavorisierten Gästen aus der zweiten Liga große Probleme und verlor nur unglücklich. Hernes Sammy El-Nounou glich den Rückstand von David Siradze aus, ehe Mitja Schäfer postwendend den Siegtreffer erzielte. Weil es trotzdem ein schöner Tag war, fiebern alle einer baldigen Neuauflage entgegen. Präsident Stieneke: „Hoffentlich müssen wir darauf nicht wieder 28 Jahre warten.“