Getreide zu teuer

ESSEN Missernten und Spekulation treiben die Preise und gefährden die Ernährungssicherheit, so die FAO

BERLIN taz | Schlechte Ernten, kombiniert mit Spekulation auf den Rohstoffmärkten, sind die Ursachen der heftigen Preissteigerungen beim Getreide. Eine Lebensmittelkrise drohe zwar nicht, aber die Preisausschläge stellten dennoch eine Gefahr für die Ernährungssicherheit dar. Das ist das Ergebnis einer Sondersitzung der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), die am Freitag aus Sorge über die stark gestiegenen Getreidepreise hinter verschlossenen Türen tagte.

In diesem Monat liegen die Weizenpreise immerhin 60 bis 80 Prozent höher als noch im Juli, bei den Maispreisen ist es ein Unterschied von rund 40 Prozent. Das zeigt ein neuer FAO-Bericht. Das sei allerdings immer noch rund ein Drittel weniger als 2008, als es in zahlreichen Ländern zu Hungerrevolten kam.

Trotz der Dürre in Russland, die zu einem Exportstopp für russischen Weizen führte, seien die Ernten dieses Jahr ausreichend. Weltweit dürften 2,24 Millionen Tonnen Getreide eingefahren werden, gerade einmal 1 Prozent weniger als 2009. Überdies seien die Lager nach der Rekordernte vom Vorjahr noch gut gefüllt. Doch wegen der gestiegenen Preise müssten die 77 ärmsten Länder der Erde nun rund 8 Prozent mehr für ihre Getreideimporte ausgeben als im Vorjahr.

Wie sich das auf den Endverbraucher auswirkt, hänge nicht zuletzt von der Politik im jeweiligen Land ab. In den letzten zwei Monaten habe sich Weizen beziehungsweise Mehl etwa in Afghanistan schon um 24 Prozent verteuert und in Bangladesch um 21 Prozent. In Mosambik wurde eine 30-prozentige Erhöhung des staatlich regulierten Brotpreises auf Unruhen hin wieder zurückgenommen.

Die Konferenzteilnehmer sprachen sich dafür aus, die Preisausschläge besser unter Kontrolle zu bekommen. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass die Rohstoffmärkte inzwischen immer mehr ein Teil der globalen Finanzmärkte geworden seien, wo mit Derivaten auf die künftige Preisentwicklung gewettet werde. Als „Finanzialisierung“ der Futures-Märkte bezeichnet das die FAO. Verstärkt werde dies durch einen Mangel an Transparenz über Angebot und Nachfrage. Die FAO solle daher mehr Informationen sammeln und den Marktteilnehmern zur Verfügung stellen, etwa über die Anbauplanung und die Ernteaussichten, aber auch über das Engagement von rein finanziell interessierten Akteuren, vulgo: Spekulanten auf den Märkten. NICOLA LIEBERT