Schneewittchens Schönheit in Bestbesetzung

Drei Tage nach seinem Sieg in Kiel kommt der VfL Gummersbach in Flensburg unter die Räder. Favorit auf den Meistertitel in der Handball-Bundesliga ist dennoch allein der holprig in die Saison gestartete Nordrivale THW Kiel

Es hörte sich an wie eine moderne Fassung von Schneewittchen. Im Märchen antwortet der Spiegel auf die Frage der Königin, wer die Schönste im ganzen Land ist, bekanntermaßen mit den Worten: „Frau Königin, ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen ist tausendmal schöner als Ihr.“

Wenige Minuten nach dem 36:29 (16:13)-Sieg der SG Flensburg-Handewitt gegen den VfL Gummersbach fand im Presseraum der Flensburger Campushalle die Uraufführung der zeitgenössischen Version, basierend auf Spitzenhandball, statt. In die Rolle der Königin drängte es einen Journalisten vom „Flensburger Tageblatt“. Für das „Spieglein“ wurde ein Experte von internationalem Rang verpflichtet: Alfred Gislason, Trainer des VfL Gummersbach.

Vorhang auf! Auftritt die „Königin“: „Herr Gislason, sie haben mit ihrer Mannschaft innerhalb von wenigen Tagen gegen den THW Kiel und gegen die SG Flensburg-Handewitt gespielt. Welche Mannschaft ist die bessere?“ Das „Spieglein“ antwortete flugs: „Auch wenn ich mir hier in Flensburg keine Freunde mache: Heute war Flensburg stärker, aber wenn Kiel wieder alle Spieler einsetzen kann, die derzeit noch verletzt sind, hat der THW die beste Mannschaft der Liga.“

Einige Vereinsvertreter der SG Flensburg-Handewitt blickten betreten zu Boden. Nur einer fand es grundsätzlich wunderbar: Thorsten Storm, Noch-Geschäftsführer der SG und mit großer Wahrscheinlichkeit bald Manager des Möchtegern-Meisters HSV Hamburg. „Es ist eine schöne Rolle, dass uns im Titelrennen keiner so richtig auf der Rechnung hat und alle nur vom THW sprechen“, sagte Storm.

Im Gegensatz zu vielen Experten, hält er das SG-Ensemble auch nach dem Weggang des Spielmachers Glenn Solberg (Drammen HK) für kein Deut schlechter als in den Jahren zuvor. Im Gegenteil: „Alle stehen zusammen, der Teamgeist ist größer als früher, und die Mannschaft ist hungriger. Über uns spricht gar keiner, aber wir spielen vor uns hin und gewinnen“, sagte Storm. Zu seiner persönlichen Zukunft äußerte sich Storm nur vage. „Ich gehe nicht weg, weil mir die Arbeit hier etwa nicht gefällt. Die Bedingungen in Flensburg sind optimal, und es ist ja auch immer wieder schön, Meister zu werden, aber ich möchte etwas Neues machen“, sagte Storm.

Meister ist der ehemalige Marketingleiter des THWmit der SG übrigens nur einmal geworden, 2004. In Flensburg scheinen sie an die Grenzen des Machbaren gestoßen zu sein. Mit Beginn der Spielzeit 2007/08 wird sich Storm an der Seite des neuen HSV-Geschäftsführers Peter Krebs um die wirtschaftlichen Belange des HSV Hamburg kümmern. Der bisherige Manager Dierk Schmäschke ist in den vergangenen Wochen systematisch in einer Art und Weise demontiert worden, die stark an Mobbing erinnert.

In Flensburg dagegen wollen sie mit Teamgeist ans Ziel. Gegen den VfL Gummersbach, der noch am Mittwoch mit 39:37 in der Kieler Ostseehalle triumphiert hatte, gelang das sehr gut. Es sei ein überraschend leichter Gang gewesen, sagte Linksaußen Lars Christiansen. „Uns nicht als Titelfavoriten zu nennen, ist eine Frechheit. Alle reden so viel über den THW, aber die Kieler können es sich mit jetzt drei Minuspunkten nicht mehr erlauben, irgendwo Punkte liegen zu lassen“, sagte der Däne.

Im Märchen gibt es allerdings ein Happyend für Schneewittchen, die hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen wohnt. CHRISTIAN GÖRTZEN

Weitere Ergebnisse der Nord-Clubs: GWD Minden – HSV Hamburg 16:28, Wilhelmshavener HV – TBV Lemgo 31:41, HBW Balingen – Weilstetten 23:38, HSG Düsseldorf – HSG Nordhorn 24:30