Der Dusel, der damische!

Der FC St. Pauli beeindruckt im Klischee-Klassiker gegen den FC Bayern München. Doch der Meister besinnt sich archetypischer Stärken und siegt 2:1 nach Verlängerung

HAMBURG taz ■ Es ist, als müsse der FC Bayern sein eigenes Klischee immer wieder bestätigen – das Klischee von der unglaublichen Cleverness und dem Bayern-Dusel, der den Rekordmeister auch Spiele gewinnen lässt, die seine Konkurrenten schon mal verlieren. Wie Werder Bremen und HSV, so standen auch die Münchner beim Gastspiel bei einem Drittligisten vorm Pokal-Aus. Doch den Bayern gelang es, die Niederlage abzuwenden und das Spiel 2:1 zu gewinnen.

Dabei hatte der Vierzehnte der Regionalliga Nord den deutschen Meister über die komplette erste Halbzeit vor 19.400 Zuschauern am Millerntor dominiert. Die Hamburger attackierten die Münchner früh und aggressiv, ließen sie erst gar nicht ins Spiel finden und erarbeiteten sich mit teilweise brillantem Kombinationsfußball Chance um Chance.

Einen Schuss von Thomas Meggle konnte Michael Rensing, der für den gesperrten Oliver Kahn das Bayern-Tor hütete, in der 19. Minute noch an den Pfosten lenken, aber nach einer halben Stunde gelang St. Pauli die Führung. Stürmer Mazingu hatte von rechts präzise in den Rücken der Bayern-Abwehr auf den mitgelaufenen Mittelfeldmotor Schulz quergelegt, gegen dessen wuchtige Direktabnahme Rensing keine Chance hatte.

Während St. Pauli sich auch nach dem Führungstreffer weitere hochkarätige Möglichkeiten erarbeite, geriet das Tor der Hamburger lediglich nach einigen Flanken von Santa Cruz, dem sein Gegenspieler oft zu viel Raum ließ, bisweilen in Gefahr. Er könne sich „an keine so temporeiche erste Halbzeit erinnern“, resümierte Bayern Coach Felix Magath nach dem Spiel. „Aber wir wussten auch, dass St. Pauli nicht 90 Minuten so viel Gas geben kann und unsere Chancen kommen werden.“

Die Bayern nutzten kaltherzig bereits die erste. St. Pauli war noch gar nicht richtig auf dem Platz, da erzielte der zur Pause eingewechselte Podolski nach 26 Sekunden den Ausgleich. Die Gastgeber benötigten danach zwanzig Minuten, um wieder ins Spiel zu finden. Doch Podolski, Neueinkauf Mark van Bommel und Daniel van Buyten scheiterten am bis dahin hervorragenden Pauli-Keeper Patrik Borger, der sein Team in die Verlängerung rettete.

Borger, der bislang fast nur für die Oberliga-Nachwuchs-Mannschaft von St. Pauli das Tor gehütet hatte, hätte an diesem Abend der Held am Millerntor werden können, wäre da nicht die 105. Minute gewesen. Die Bayern, nach einem Platzverweis von Lucio seit der 91. Minute in Unterzahl, hatten ihre Angriffsbemühungen fast eingestellt, als Lahm den Ball fast von der Eckfahne vor den Kasten schlug. Borger konnte das krumme Ding nur mit den Fingerspitzen erreichen und lenkte es zum Schrecken der Zuschauer ins eigene Netz. „So ein Tor schießt auch Bayern nur alle 100 Jahre“ bemerkte St.-Pauli-Coach Andreas Bergmann. Der unglückliche Borger korrigierte nach dem spielentscheidenden Patzer mit Galgenhumor seine Familienplanung: „Jetzt darf ich keine Kinder mehr in die Welt setzen, sonst kriegen die das immer auf dem Schulhof erzählt.“

„Hauptsache weiter“, hakte Bastian Schweinsteiger das Spiel unmittelbar nach dem Schlusspfiff ab und freute sich darüber, „dass wir heute auch das notwendige Quentchen Glück“ hatten. Den Bayern-Dusel eben.

MARCO CARINI