Die Stärke von die Klub

Der FK Pirmasens stürzt den SV Werder Bremen vor dem morgigen Champions-League-Auftakt gegen den FC Chelsea London in eine Miniaturkrise. Der Amateurklub gewinnt in der ersten Runde des DFB-Pokals mit 4:2 gegen den Erstligisten

AUS PIRMASENS FRANK HELLMANN

Mitten im Aufwärmprogramm hatte Andreas Reinke plötzlich verschreckt den Kopf eingezogen. Gerade war einer der vom Himmel sausenden Fallschirmspringer mitten im Bremer Strafraum gelandet, und Werders Keeper blickte reichlich verdutzt drein. Werder Bremen war also angekommen im kleinen, aber feinen Sportpark Husterhöhe, Pirmasens, Pfalz. An Orten wie diesen ist erste DFB-Pokalrunde noch ein bisschen wie Kirmes. Doch nie hatte die Bremer Delegation geglaubt, dass der eigentliche Zweck dieses putzig begonnenen Ausflugs am Ende peinlich verfehlt werden könnte. „Wir wollten bis nach Berlin – das müssen wir abhaken“, konstatierte Trainer Thomas Schaaf. „Das war eine Blamage, so einen Gegner müssen wir schlagen“, kritisierte Sportdirektor Klaus Allofs.

Mit verkniffenen Mienen zogen die Verantwortlichen Bilanz: Mit 2:4 im Elfmeterschießen war der Vizemeister beim Amateurklub FK Pirmasens gescheitert, ausgelacht von den 10.000. „Erste Liga, keiner weiß, warum“, höhnte das Pfälzer Publikum. Vor allem weiß keiner, wie es morgen beim FC Chelsea gut gehen soll. Wer sah, wie sich der völlig entkräftete Miroslav Klose mit Oberschenkelproblemen bei erschöpftem Auswechselkontingent durch die Verlängerung quälte, dem schwant für den Champions-League-Auftakt an der Stamford Bridge Schlimmes.

Nörgelnde Nachrücker

„Die Mannschaft muss am Dienstag zeigen, was sie kann“, mahnt Schaaf. „Da muss mehr kommen: Wir müssen noch eine Menge tun“, verlangt Allofs. Allmählich wird deutlich, dass Grundsätzliches im Argen sein könnte im teuersten Werder-Aufgebot aller Zeiten. „Mit so einer Einstellung verliert man auch in Pirmasens“, stellte der im benachbarten Kusel aufgewachsene Klose fest. Speziell nörgelnde Nachrücker wie Patrick Owomoyela, Mohamed Zidan oder Ivan Klasnic erledigten für die geschonten Tim Borowski und Torsten Frings ihren Dienst mit einem Mangel an Verve, der für ihre nahe Zukunft wenig Gutes erahnen lässt. „Das war zu wenig, um Ansprüche zu stellen“, zischte Schaaf, der die Seinen gestern am Weserstadion zur „knallharten Analyse“ um sich scharte. Die Zeit drängt: Heute um 10.30 Uhr hebt der Charterflieger am Bremer Flughafen ab. Als krasser Außenseiter geht’s nach London.

Neben all den eindeutigen Erkenntnissen, die der selbstgefällige Auftritt des Bundesligisten offenbarte, sei nicht verschwiegen: Der Sieg des just in die Regionalliga aufgestiegenen FK Pirmasens war verdient. Der Traditionsverein wird im Volksmund nicht nur als „die Klub“ tituliert, sondern artikuliert sich auch ansonsten anders: Kalkuliert wird mit nur 1,2 Millionen Euro, die Spieler sind noch echte Amateure. Der finale Strafstoßschütze Miguel Carvalho verdingt sich als Bürokaufmann, Elfmetertöter Reiner Schwartz („Ich habe im Leben noch kein Elfmeterschießen verloren“) als Gas- und Wasserinstallateur.

Gewiefter FK-Coach

Die Pokalhelden besitzen auch noch ausnahmslos einen deutschen Pass. „Bei uns spielen ein Hesse und ein Saarländer, der Rest sind echte Pfälzer Buben“, betont Präsident Emil Schweitzer. Der stämmige Klubboss geht ebenso als Unikum durch wie Trainer Robert Jung, 61 Jahre alt, wohnhaft in Pirmasens, tätig als Sport- und Mathematiklehrer am Leibniz-Gymnasium. Als Fußballlehrer hat er zuletzt vor allem Spuren im Rhein-Main-Gebiet hinterlassen: Rot-Weiß Frankfurt, Kickers Offenbach, FSV Mainz oder SV Wehen. Nun ist er zurück zu seinem Heimatverein, „weil 1,5 Millionen gefahrene Kilometer genug sind“. Seine heutigen Methoden sind dieselben wie früher: Knallhartes Konditionstraining bildet die Basis allen Schaffens.

„Meine Spieler sind fit“, stellte der Pirmasenser Fußballpädagoge stolz fest. Eine Diplomarbeit über „Ermüdungswiderstandsfähigkeit“ hat Jung verfasst, und am Samstag wirkte es so, als ob die Pirmasenser Protagonisten die Probanden wären. Dass der Trainer seinen Stürmer Sebastian Reich flugs zum Manndecker umschulte, der erst Klose abmeldete, dann das 1:0 (64.) köpfte, ehe Ivan Klasnic glücklich ausglich (83.), rundete den Coup des Robert Jung ab. „Es ist alles so gekommen, wie unser Trainer vorhergesagt hat“, jubelte Schweitzer, „für uns ist dieser Mann der beste der Welt.“

Der Belobigte gab den Spielern trainingsfrei und noch eine Botschaft mit: „Die sollen feiern – ohne sich zu besaufen.“ Übermorgen hat nämlich auch der FK Pirmasens wieder ein wichtiges Match: Regionalliga-Punktspiel beim 1. FC Saarbrücken.