SARKOZY PROPAGIERT SEINEN KURSWECHSEL DER FRANZÖSISCHEN POLITIK
: Stationen einer Reise

Nicolas Sarkozy ist der Neocon à la française. Als Innenminister hat er sich – mit immer neuen Einwanderungsgesetzen, immer mehr Abschiebungen und immer härteren Polizeieinsätzen gegen Immigranten – einen Namen als Scharfmacher gemacht. Innenpolitisch hat er sich damit profiliert und seine eigene Partei UMP sowie, glaubt man den Meinungsumfragen, bereits einen großen Teil der Wähler hinter sich gebracht. Auch für den Unternehmerverband Medef ist er der Wunschkandidat, der den Abbau des Arbeitsrechts und des Streikrechts, die weitere Senkung der Spitzensteuern und die weitere Zerschlagung der öffentlichen Dienste vorantreiben soll.

Acht Monate vor dem Urnengang sucht Sarkozy jetzt nun auch die Unterstützung im Ausland. Binnen wenigen Tagen reiste er sowohl nach Brüssel als auch in die USA: In Brüssel hielt er eine Grundsatzrede, mit der er vor allem um EU-Präsident Barroso und um Bundeskanzlerin Merkel wirbt. In New York will er am Jahrestag der Attentate seinen Status als Terroristenjäger unterstreichen.

Deutlich wird dabei: Mit Sarkozy als Staatspräsident würde Frankreich seine Besonderheiten verlieren. So hätte es mit ihm 2003 keine Veto-Drohung aus Paris gegen den Irakkrieg gegeben, und unter ihm wäre das französische Engagement für die libanesische Regierung in diesem Sommer noch halbherziger ausgefallen; denn Sarkozy verteidigt Israels Recht auf Selbstverteidigung.

Dass er jetzt eine – zwar kleinere, aber inhaltlich kaum veränderte – Neufassung der EU-Verfassung propagiert, ist ein weiterer Schritt, der seine Abkehr von französischen Traditionen zeigt. Sollte Sarkozy eines Tages in die Lage kommen, seine Vorschläge umzusetzen, wäre das zugleich ein Verrat am französischen Souverän. Denn im Mai 2005 haben in Frankreich fast 55 Prozent der WählerInnen gegen die liberale EU-Verfassung gestimmt. Der Abstimmung ging die intensivste und populärste Europadebatte voraus, die es je in einem EU-Land gegeben hat. Einen solchen Präsidenten haben die FranzösInnen nicht verdient.

DOROTHEA HAHN