SPÄT DRAN
: Ein Fall für Tom Hanks

Der Schlüssel bleibt verschollen

Ich bin spät dran. Das ist wenig bemerkenswert, ich bin eigentlich immer spät dran. Das akademische Viertel ist das einzige, was nachhaltig aus meiner Universitätszeit hängen geblieben ist. Aber jetzt muss ich dringend zu dieser Pressevorführung.

Also: Konzentration! Computer aus. Portemonnaie eingesteckt. Badezimmer: Kontaktlinsen rein. Noch mal aufs Klo? Ja. Handy? Küche! Rein, bei der Gelegenheit kann gleich der Müll … Katze wieder aus der Küche schleppen und Schuhe suchen. Im Wohnzimmer. Wo ist jetzt das Handy? Immer noch in der Küche. Rein, Handy einstecken, Katze rausschleppen. Welches Kino gleich? Computer wieder an. Mails checken. Konzentration! Kino raussuchen. Computer aus. Rucksack? Bis ich irgendwann gesackt und gepackt im Flur stehe und merke, dass der Schlüssel fehlt. Ausgerechnet. Und ich habe keinen Ersatzschlüssel. Also noch mal: Küche? Negativ. Schreibtisch? Negativ. Bett, Nachttisch, Jackentaschen, Sofa? Negativ. Sofaritzen! Negativ. Schreibtisch, noch mal. Negativ.

Wie praktisch wäre jetzt eine Google-Street-View-Home-Funktion. Ich hätte absolut nichts dagegen, wenn die Leute von Google einmal pro Tag mit einem kleinen Auto bei mir vorbeikommen, alles filmen und es ins Netz stellen würden. Wenn ich dafür jetzt endlich loskönnte.

Aber hilft ja nichts, der Schlüssel bleibt verschollen. Eine Viertelstunde geht das jetzt schon so. Ich male mir aus, dass ich für immer hier gefangen sein werde. Freunde werden Essen bringen. Irgendwann kommen auch Medienleute. Ich werde live zu „Kerner“ zugeschaltet. Sogar Hollywood wird diese irre Geschichte verfilmen. Mit Tom Hanks. „In ‚Castaway‘ saß er auf einer einsamen Insel. In ‚Terminal‘ saß er auf einem Flughafen. Und jetzt sitzt er in seiner eigenen Wohnung fest!“ Da ist er! An einer Stelle, wo ich schon ungefähr sieben Mal geschaut hatte. Natürlich. MICHAEL BRAKE