Papstfreie Zone

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Der Mann am Infoschalter, ein adretter älterer Herr, mag es kaum glauben: „Papstgegner, hier? Na! Bei uns beleidigt niemand den Heiligen Vater. So weit kommt’s noch!“ Erst nach einem zweiten Blick auf seinen Tagesplan für den Sonntag im Münchner Kulturzentrum Gasteig findet sie sich dann doch, die „religionsfreie Zone“, wo Kabarettisten und Kirchenkritiker den Papstbesuch unter dem Motto „Heidenspaß statt Höllenquallen“ diskutieren. Aber erst ab 20 Uhr, grummelt der Türsteher, jetzt – während seiner Schicht – sei hier noch alles ordentlich katholisch.

Es ist ein Beispiel, das zeigt, wie sehr dieser Tage Bayern und die Landeshauptstadt heimgesucht sind von einer Bigotterie, die man im Rest der Republik kaum mehr zu kennen glaubt. Wer sich öffentlich gegen den Besuch des Papstes äußert, zieht Zorn auf sich – nicht nur von klerikaler Seite, sondern auch von Politik und Polizei.

Als etwa Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) von Journalisten gefragt wurde, wie es sich denn mit Demonstrationen gegen den Papstbesuch verhalte, da brauste der von vielen als liberaler Bürgerkönig gepriesene OB – übrigens ein Protestant – auf und rief mit zorniger Stimme: „Eine kleine Gruppierung aus dem Rathaus ist das, an den Teilnehmerzahlen wird man den Stellenwert ablesen können!“ Die Mehrheit der Münchner Bürger freue sich selbstverständlich von ganzem Herzen auf den Heiligen Vater.

Mit dabei in der derart geschmähten Gruppe sind die Münchner Aids-Hilfe e. V., der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, die schwulen Jusos München und – in der Tat – auch drei Stadtparlamentarier: neben einer SPD-Stadträtin auch die Grüne Lydia Dietrich und der Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl.

Und ein weiteres lokalpolitisches Schwergewicht vervollständigt diese Gruppe von Papstkritikern: Adelheid Rupp, Mitglied im Landesvorstand der bayerischen SPD und stellvertretende Chefin der Münchner SPD, rief in einer eigenen Pressemitteilungen zur Teilnahme an der Anti-Papst-Demo auf. „Papst Benedikt XVI. gibt mit seinen antischwulen und -lesbischen Äußerungen genug Anlass dafür“, schrieb sie – und kassierte dafür eine ordentlichen Anpfiff von König Ude. Der Papst sei viel zu komplex, um ihn auf seine Haltung zu Frauen und Sexualmoral zu verkürzen, so der OB; so sei er etwa in Friedens- und Sozialangelegenheiten durchaus ein „wertvoller Verbündeter fortschrittlicher Politik“.

Knapp hundert Menschen kamen schließlich am Freitagabend zum Sendlinger Tor, um gegen die schwulen- und lesbenfeindliche Haltung von Papst Benedikt XVI. zu protestieren. „Das ist keine Anti-Papst-Demo“, sagte Thomas Niederbühl, der selbst Katholik ist. Man wolle den Papst, der gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften für eine „Legalisierung des Bösen“ hält, einfach kritisch begrüßen, aber niemanden provozieren. Denn Niederbühl weiß, wie so etwas enden kann: Im August, beim Christopher Street Day, hatte jemand Anzeige erstattet, weil die CSD-Community eine Papstfigur mit übergestülptem Präservativ dabeihatte. Nach Ansicht von Polizei und Staatsanwaltschaft eine Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes – der Papst steht schließlich dem Vatikanstaat vor.

Dieselbe katholisch-beherzt „niedrige Einschreitschwelle“ war für das Papstwochenende angekündigt und zeitigte Wirkung: Die einzige verfolgbare Kritik war ein Flugblatt, in dem die Trennung von Kirche und Staat thematisiert wurde. Es wurde – natürlich – beschlagnahmt.

Entspannt dagegen ist der bayerische Innenminister Günther Beckstein. Als Reaktion auf eine Farbbeutelattacke auf Benedikts Geburtshaus in Marktl sagte er: „Wenn ein paar Vollidioten meinen, so etwas machen zu müssen, ist das noch keine ernsthafte Gefahr.“