„Die Grenzen verwischen“

PREMIERE Carsten Werner sampelt Strindbergs mit Falk Richters „Rausch“ in der Schwankhalle

■ 46, Regisseur, war 1992 Mitgründer des Jungen Theaters Bremen und ist seit 2011 Abgeordneter der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft.

taz: Herr Werner, Sie sind, scheint’s, der erste Bürgerschaftsabgeordnete, der nebenher Schauspielregie führt …

Carsten Werner: … aber doch nicht der erste Bürgerschaftsabgeordnete, der nebenher seinem Beruf nachgeht: Andere sind Anwalt. Ich bin Regisseur. Und ich denke, das sollte man nicht irgendwie mystifizieren.

Allerdings ist Falk Richters „Rausch“, den Sie inszenieren, sehr politisch.

Politisch – vielleicht. Nur: Mit Realpolitik hat der doch nix am Hut. Richter kritisiert, stellt Fragen und denkt über das, was er Finanztransaktionskapitalismus nennt, nach: was diese Weltordnung mit uns macht. Ich lese das eher wie ein Feuilleton – und nicht als Aufruf, jetzt die nächste Weltrevolution zu starten. Und selbst wenn, hätte ich kein Problem damit, das zu inszenieren. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das bei irgendeinem Abgeordneten-Kollegen zu Irritationen führen würde. Vielleicht nehmen wir Theater dafür heute nicht mehr ernst genug.

Dem hatten Sie ja eine ganze Weile den Rücken gekehrt: Wie fühlt es sich an, nach vier Jahren wieder Regie zu führen?

Das ist ein sehr schönes Gefühl – vor allem ein Gefühl der Rückkehr: Sehr viele von denen, die ich hier eingeführt und sozusagen angelernt habe, sind jetzt in verantwortlicher Position. Das ist schon etwas sehr Nettes.

Ihre Produktion verbindet Richters Text mit August Strindbergs „Rausch“-Drama. Das scheint naheliegend, nicht nur wegen der Titelgleichheit der Stücke, sondern auch wegen der engen Themen- und Motivverwandtschaft: Bezieht sich Richter selbst auf Strindberg?

Nicht dass ich wüsste: Er hat mir zumindest, als ich ihm gesagt habe, was ich plane, nichts in der Richtung gesagt – so in dem Sinne: Das ist ja ohnehin, wo es herkommt. Ich habe auch keine eindeutige Anspielung und kein direktes Zitat entdecken können …

Dabei sind die Anknüpfungspunkte so zahlreich, die Frage der freien Bindungswahl, das Fatale aller menschlichen Beziehungen, die Rolle der katholischen Kirche …

Die ist bei uns jetzt fast komplett rausgeflogen: Aber klar, das sind die Schnittmengen, wegen derer ich sinnvoll fand, beide Texte aufeinander zu beziehen: Wir betten den Richter-Text in den Plot von Strindberg – und es ist erstaunlich, wie dabei die Grenzen zwischen beiden verwischen, sodass man sich öfters fragt: War das jetzt Strindberg oder Richter? Das fand ich frappierend.  INTERVIEW: BES

August Strindberg/Falk Richter: „Rausch“, Premiere 16. 3., dann wieder am 18., 19. & 20. 3., jeweils 20 Uhr, Schwankhalle