Klagen haben wenig Chancen

Wer mit dem Verfassungsgericht droht, weckt nur falsche Hoffnungen

FREIBURG taz | Klagen gegen die nur geringfügige Erhöhung der Hartz-IV-Sätze haben kaum Aussicht auf Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hat bei seinem Hartz-IV-Urteil im Februar keine Erhöhung gefordert. Vielmehr hat das Gericht dem Gesetzgeber ausdrücklich „Gestaltungsspielraum“, also Raum für politische Entscheidungen, zugebilligt.

Karlsruhe hat im Februar zwar das „Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimus“ entwickelt. Welche Summe Arbeitslose und ihre Kinder konkret beanspruchen können, lasse sich jedoch nicht aus dem Grundgesetz ableiten. Dies sei vielmehr vom Gesetzgeber zu bestimmen.

Karlsruhe will den Bundestag dabei auch nur „zurückhaltend“ kontrollieren und lediglich sicherstellen, dass die Werte „nicht evident unzureichend“ sind. Die bis heute geltenden Sätze hat Karlsruhe der Höhe nach akzeptiert, sie seien vertretbar, und zwar für Erwachsene und für Kinder.

Beanstandet hat Karlsruhe im Februar nur das Verfahren, in dem die Hartz-IV-Sätze bisher festgelegt werden. So wurde vor allem bemängelt, dass das Existenzminimum der Kinder einfach prozentual aus dem Wert für Erwachsene abgeleitet wurde. Dies sei verfassungswidrig. Kinder seien „keine kleinen Erwachsenen“. Vielmehr müsse das Existenzminimum für Kinder eigenständig bestimmt werden.

Das Berechnungsmodell für Erwachsene wurde dagegen im Ansatz akzeptiert. Als Maßstab für das Existenzminimum kann also weiterhin der Verbrauch des ärmsten Fünftels der Einpersonen-Haushalte (ohne Hartz-IV-Empfänger) dienen. Hiervon dürfen bestimmte Ausgaben abgezogen werden, zum Beispiel für Alkohol und Tabak, weil sie nicht zum Existenzminimum gehören. Dies ist eine freie Entscheidung des Bundestags. In der Höhe sind die Abschläge für Alkohol und Tabak dann allerdings empirisch zu bestimmen und dürfen nicht ins Blaue hinein geschätzt werden.

Wer höhere Hartz-IV-Sätze will, muss sich dafür politisch einsetzen, zum Beispiel indem die SPD im Bundesrat der Reform nur unter der Bedingung zustimmt, dass es deutlichere Erhöhungen gibt. Wer jetzt mit dem Verfassungsgericht droht, erweckt falsche Hoffnungen.

An einem Punkt hat Karlsruhe allerdings selbst Hoffnungen geweckt. „Ein zusätzlicher Bedarf ist vor allem bei schulpflichtigen Kindern zu erwarten“, heißt es im Urteil. Rechtlich hat diese „Erwartung“ aber keinen Gehalt, sie ist nur eine private Meinungsäußerung der Richter. Dennoch hat von der Leyen auf die dadurch entstandene Stimmung reagiert, indem sie zusätzliche Sachleistungen für Kinder in Aussicht stellte. CHRISTIAN RATH