KOMMENTAR VON MALTE KREUTZFELDT
: Nachhaltig ist nur die Heuchelei

Die Rhetorik stimmt noch, aber die Glaubwürdigkeit von Merkel ist dahin

Rhetorisch hat sie es noch nicht ganz verlernt. Wie in ihren besten Zeiten als „Klimakanzlerin“ präsentierte sich Angela Merkel in ihrer Rede beim Nachhaltigkeitsrat als Vorkämpferin für ebendieses Anliegen. Den bisweilen inflationär gebrauchten Begriff legt sie dabei korrekt aus: Nachhaltigkeit verpflichte zu einer Politik, die die Chancen für die nächste Generation nicht schmälert – in der Umweltpolitik ebenso wie in der Finanz- und Sozialpolitik.

Anders als vor drei Jahren, als Merkels Bemühen um die Klimarettung durchaus glaubhaft erschien, gibt es inzwischen leider keinerlei Hinweis mehr darauf, dass sie das Ziel einer nachhaltigen Politik ernst meint. Ob Soziales, Steuern oder Gesundheit: In allen Politikfeldern dominieren kurzfristige Lobbyinteressen über langfristige gesellschaftliche Ziele.

Besonders eklatant ist der Widerspruch zwischen dem formulierten Nachhaltigkeitsziel und der realen Politik bei dem Energiekonzept, das heute vom Bundeskabinett verabschiedet wird: Das verbale Bekenntnis zu erneuerbaren Energien darin ist wenig wert, denn faktisch werden diese ausgebremst. Sehr real sind hingegen die neuen Kohlekraftwerke, die Klimaschutzziele unmöglich machen – und die längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke, deren Müll nicht nur die nächste, sondern tausende von nachfolgenden Generationen bedroht. Dass sie dieses von Lobbyinteressen dominierte Konzept als Musterbeispiel nachhaltiger Politik verkauft, ist eine Form der Heuchelei, mit der Merkel die letzten positiven Erinnerungen an die „Klimakanzlerin“ zerstört.

Mindestens ebenso dreist ist das Versprechen der Kanzlerin, mit der Bevölkerung in einen intensiven Dialog über Nachhaltigkeit zu treten. Schließlich hat die Bundesregierung gerade bewiesen, was sie von offenen Entscheidungsprozessen und engagierten Bürgern hält: Das Energiekonzept wurde hinter verschlossenen Türen mit den Konzernen ausgehandelt; für Treffen mit Atomkraftgegnern hatte die Kanzlerin keine Zeit. Massendemonstrationen, ob gegen Atomkraft oder Stuttgart 21, werden ignoriert oder verunglimpft. Die eigenen Sachverständigen werden nicht gehört. Ein Internetdialog wird nicht darüber hinwegtäuschen können: Die Kanzlerin, hat das Gespür für Stimmung in weiten Teilen der Gesellschaft verloren.

Wirtschaft und Umwelt SEITE 8