Nichtwähler verpassen absolute Mehrheit

Fast die Hälfte der Wahlberechtigten bleibt den niedersächsischen Kommunalwahlen fern. Überraschenderweise feiern sich am Tag danach alle etablierten Parteien als Sieger, obwohl nur die FDP leichte Stimmenzuwächse hat

Das gute Wetter hat nicht geholfen. Trotz Sonnenschein gingen am Sonntag bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen nur 51,8 Prozent der gut 6,3 Millionen Wahlberechtigten zur Urne – so wenig wie noch nie in der Nachkriegszeit. Vor fünf Jahren hatten noch 56,2 Prozent Interesse an den Wahlen gezeigt – und das bei stürmischem Regen.

Insgesamt gab es bei der Wahl keine großen Verschiebungen. Dennoch sahen sich am Tag danach alle etablierten Parteien als Sieger. „Wir haben fast so viele Mandate wie SPD, FDP und Grüne zusammen“, freute sich CDU-Generalsekretär Ulf Thiele. Dabei hat auch seine „Niedersachsen-Partei“ trotz hohen Siegen in Hochburgen wie Braunschweig oder dem Landkreis Vechta (siehe Seite 22) Federn gelassen. Landesweit wurde die CDU in den Kreisen und kreisfreien Städten zwar erneut stärkste Kraft, büßte aber mit 41,3 Prozent 1,3 Punkte im Vergleich zur Kommunalwahl vor fünf Jahren ein.

Von einem „Motivationsschub“ für die SPD durch den Urnengang sprach gestern auch Wolfgang Jüttner, der Vorsitzende der Landtagsfraktion. Seine Partei hatte trotz Kontersieg des SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Stephan Weil in der Landeshauptstadt Hannover gleich zwei Prozentpunkte im Vergleich zum Jahr 2001 verloren: Sie kam in Kreistagen und Stadträten nur noch auf 36,6 Prozent. Bei den insgesamt 318 Abstimmungen über Bürgermeister und Landräte habe die SPD vorerst „keinen Amtsinhaber verloren“, ergänzte Landesparteichef Garrelt Duin.

„Wir sind weiter Dritter, das freut uns ganz besonders“, sagte der Grüne Landesvorsitzende Raimund Nowak. Seine Partei hatte sich um 1,1 Punkte auf landesweit 7,8 Prozent gesteigert, aber das Ziel verfehlt, zweistellig zu werden. Über das „beste Ergebnis seit 30 Jahren“ freute sich FDP-Landeschef Philipp Rösler. Immerhin: Die Liberalen waren die einzigen der großen Vier, die am Sonntag tatsächlich Stimmen bei den Wahlen zu Kreistagen und Stadträten gewannen: mit 628.000 kam sie auf 14.000 mehr als im Jahr 2001. In Prozenten erreichten die Liberalen 6,7 – einen halben Punkt mehr als bei der vergangenen Wahl.

Die anderen Parteien verloren in absoluten Zahlen sämtlich Wähler: CDU und SPD hatten bei den Wahlen zu Kreistagen und Stadträten jeweils 400.000 Stimmen weniger als bei den Wahlen vor fünf Jahren, die Grünen etwa 56.000.

Die Betroffenen waren „enttäuscht“ bis „bestürzt“ über die geringe Wahlbeteiligung. „Berlin hat überhaupt nicht polarisiert“, schob CDU-General Thiele das Problem von sich weg. Vielleicht könne mehr Bürgerbeteiligung das Problem beheben, blieb SPDMann Duin im Ungefähren. Das Interesse an der Wahl hänge „von Personen und Themen“ vor Ort ab, sagte FDP-Fraktionschef Rösler. „Im Fußball würde man sagen, richtigen Typen“, ergänzte der Grüne Nowak.

Stephan Weil, der künftige OB von Hannover, sprach sich für eine Vereinfachung des „leicht überkandidelten“ Wahlsystems aus. In der Landeshauptstadt konnten die Bürger bis zu elf Kreuzchen auf fünf Wahlzetteln machen. KAI SCHÖNEBERG