Schwestern legen Charité lahm

Das Pflegepersonal der Uniklinik streikt ab heute für mehr Lohn. Patienten müssen sich auf die Verlegung von Operationen einstellen. Wissenschaftssenator versucht zu vermitteln – erfolglos

VON ULRICH SCHULTE

In der Charité wird heute mancher Operationssaal geschlossen bleiben. Krankenschwestern, Pfleger und andere Angestellte streiken für einen neuen Tarifvertrag und mehr Geld. Ab 7 Uhr morgens würden alle Operationssäle der Standorte Mitte und des Virchow-Klinikums bestreikt, kündigte die Gewerkschaft Ver.di gestern an. 250 Beschäftigte – davon 130 in Mitte – wollen die Arbeit niederlegen.

Im Klinikalltag wird sich der Streik vor allem durch Verlegungen von Operationen bemerkbar machen. Darauf müssen sich alle Patienten einstellen, die nicht an akut gefährdenden Krankheiten leiden. „In den OP-Sälen werden nur so viele Mitarbeiter bereitstehen wie sonst nachts“, sagt Ver.di-Verhandlungsführer Georg Güttner-Mayer. „Notfälle werden aber selbstverständlich versorgt.“

Bereits seit 2004 verhandelt der Charité-Vorstand mit der Gewerkschaft über einen neuen Tarifvertrag. Ver.di wünscht sich die sofortige Übernahme des Tarifabschlusses, der im öffentlichen Dienst in Berlin gilt, dazu mehr Lohn und den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Der Vorstand möchte „die stufenweise Überleitung“ in den Tarifvertrag und will die Gehälter einfrieren. „Da können wir nicht weiter drauflegen. Die Charité befindet sich in einer schwierigen Situation“, sagt Sprecherin Kerstin Endele.

Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) weiß, wie sehr ein Streik in Europas größtem Universitätsklinikum sich auf Image und Bilanz der Klinik auswirken könnte. Er versuchte am Vormittag in einem zweistündigen Krisengespräch, beide Seiten zusammenzubringen. Sein Kompromissvorschlag – 4,4 Prozent mehr Grundeinkommen und Verzicht auf Rausschmisse – fand aber kein Gehör. „Ein Streik verunsichert die Patienten. Wenn klar ist, dass er länger dauert, werden viele entscheiden, sich woanders operieren zu lassen“, sagt seine Sprecherin Brigitte Reich. Entscheidend sei, dass die Charité durch einen neuen Vertrag in den Tarifstandort Berlin eingegliedert würde. Angesichts der monatelangen Nickeligkeiten der Kontrahenten ist man in der Wissenschaftsverwaltung schon für Kleinigkeiten dankbar: Immerhin, sagt Reich, sei allein das Miteinanderreden ein Erfolg.

In den nächsten Tagen wollen Vorstands- und Gewerkschaftsvertreter in einem Vieraugengespräch mögliche Auswege verhandeln. Der am Freitag tagende Krankenhaus-Aufsichtsrat könnte eine mögliche Lösung sofort abnicken. Die Gewerkschaft winkt vorsorglich schon mit der Peitsche. Der Streik ließe sich auch auf andere Bereiche wie die Pflege ausweiten, sagt Güttner-Mayer. „Das wird wechseln, da sind wir kreativ.“ Die Streiklänge lässt er offen und droht: Bei Arbeitskämpfen in OPs an westdeutschen Unikliniken seien Verluste von bis zu 150.000 Euro täglich entstanden.

Die Charité will die Belastungen möglichst gering halten. „Wir versuchen, die Ausfälle mit nicht gewerkschaftlich organisiertem Personal aufzufangen“, so Endele. Außerdem werde die Pflegeleitung Mitarbeiter in Teilzeit aufstocken. 14.000 Beschäftigte arbeiten in der Charité in den Bereichen Pflege, Verwaltung und Labor und sind derzeit ohne gültigen Tarifvertrag. Die Ärzte hatten im Frühjahr mit wochenlangen Streiks bessere Bezahlung und Dienstzeiten erkämpft, die Vereinbarung wurde im April unterzeichnet.

Die Charité informiert von 8 bis 18 Uhr unter der Servicenummer 450 550 500 über OP-Ausfälle