Bei Anruf: Kundenkrise

Bei Springer werden offensichtlich Leser und Werbekunden durch mangelhaften Service vergrault. Nun bläst Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner zu einer Kundenorientierungs-Offensive

VON HANNAH PILARCZYK

Eigentlich hatte alles richtig gut angefangen. Ein kleiner Werbefilm pries den Verlag, seine Produkte und vor allem die Mitarbeiter. Und 400 Spitzenkräfte der Axel Springer AG hörten am vorvergangenen Donnerstag bei der Management-Tagung im Berliner Haus (Motto: „Bei Anruf: Kunde“) gern zu. Doch dann kam Mathias Döpfner und mit ihm eine, wie er es selbst nannte, „ungemütliche Rede“. Inakzeptabel sei der Umgang mit Lesern und Abonnenten wie auch mit Werbekunden, bekamen die ManagerInnen in den folgenden 45 Minuten vom Konzernchef höchstpersönlich zu hören: „Die Kundenbeziehung durchläuft eine existenzielle Krise, wenn ich mir die Verkaufszahlen, die Abo-Zahlen, die Anzeigenumsätze unserer großen Objekte und der Printbranche insgesamt anschaue.“ (Siehe Kasten.)

Zu „erfolgsverwöhnt“ sei man im Verlag, so Döpfner: „Wir sind zu sehr mit unseren eigenen Strukturen und zu wenig mit unseren Märkten beschäftigt.“ Und dann noch dies: „Wir sind zu bürokratisch. Wir sind zu langsam. Wir sind zu konventionell. Wir sind zu starr. Wir sind zu unseren Kunden einfach zu unfreundlich.“ Dagegen steht ab sofort das Ziel, „Europas kundenfreundlichstes Medienhaus“ zu werden.

Ursachen für die Kundenkrise sind für Döpfner die veränderten Lebensumstände der traditionellen Leserschaft, an die Springers Angebote zu wenig angepasst seien. Dazu käme der oft unflexible, unfreundliche Umgang mit Leser-Anliegen. Und drittens die inkompetente Handhabung von Anfragen von Werbekunden, wodurch dem Verlag laut Döpfner bis zu 20 Prozent aller potenziellen Kundenaufträge entgehen würden.

Bei Premium-Titeln wie Bild oder Welt, so Döpfner zum Punkt „Lebensumstände“, ginge man mittlerweile von falschen Leser-„Archetypen“ aus. Der deutsche Bauarbeiter, der sich in der Pause mit den Kollegen an der „Seite-1-Mieze“ (Döpfner) der Bild ergötze, sei so einer: „Heute kommt der typische Bauarbeiter aus Stettin oder Istanbul.“ Und wenn der überhaupt lese, dann Hürriyet – „oder im besten Fall Fakt“, spielte der Springer-Chef auf den eigenen polnischen Boulevard-Ableger an.

Dann folgte Volkes Stimme: Um seine Kritik am Umgang mit Lesern und Abonnenten zu illustrieren, las Döpfner aus diversen Leserbriefen. Von verzweifelt („Ich will nicht mehr“) bis empört („Was Sie sich seit Wochen leisten, gehört in die Medien“) reichten die Urteile über den Dienst am Springer-Kunden.

Damit scheint der Durchschnittsleser nicht allein zu sein: Auch wertvolle Werbekunden seien regelmäßig verschreckt worden, so Döpfner. Unübersichtliche Zuständigkeiten, zu geringe Reaktionsgeschwindigkeit und fehlende Verlässlichkeit führten dazu, dass den Anzeigenabteilungen bis zu 20 Prozent aller Anfragen entgehen würden – oft seien „Bauer und Burda einfach schneller“.

„Wer Kunden missachtet, darf nicht weiterqualifiziert werden. Der muss disqualifiziert werden“, forderte der Springer-Chef. Um „den heißen Atem des Kunden im Nacken zu spüren“, soll nun eine neue Unternehmenskultur her. Mit einem Seitenhieb auf einige Chefredakteure im Haus, die sich anscheinend für den Dienst am Kunden nicht verantwortlich fühlten, setzte Döpfner nach: „Eine Stunde Arbeit am Kunden ist besser als eine Präsentation vor Werbekunden.“

Und was nun genau tun gegen Leser-Verkennung, Abonnenten-Abkanzelung und Werbekunden-Verschreckung? Eine „urjournalistische Qualitätsoffensive“ und ein stärkeres Eingehen auf die Wünsche von Werbekunden (aber keine „Kundenprostitutierung“!) forderte Döpfner ein. Konkreter wurde er nicht – dafür stellte er immerhin „auch große Summen“ für die Strategien in Aussicht, die auf nachhaltige Effekte abzielten.

Zumindest für die Führungsebenen wurde Döpfner dann doch noch verbindlicher: Die Kundenorientierung werde sowohl in den Zielvereinbarungen des Managements festgeschrieben als auch zum zentralen Vorstandsprojekt erhoben. Die hauseigene Marktforschung entwickelt laut Döpfner gerade Methoden, mit denen man den Grad der Kundenorientierung in den jeweiligen Abteilungen messen könne. Außerdem sind jetzt alle Geschäftsbereiche angehalten, dem Vorstand ihre Strategien zur Verbesserung der Kundenbeziehungen zu präsentieren.

Was hinter dieser Krönungszeremomie von Kunde König steht, stellte Döpfner zum Ende seiner Rede noch mal klar: „Unser langfristiges Ziel ist Gewinnmaximierung.“