Strom ist kein Lebensmittel

Der Vattenfall-Chef fordert eine Senkung der Mehrwertsteuer für Elektrizität auf das Niveau von Brot und Milch und handelt sich damit einen Rüffel aus der Politik ein

BERLIN taz ■ Die Forderung des Vattenfall-Konzerns nach einem halbierten Mehrwertsteuersatz für Strom ist in der Politik auf Ablehnung gestoßen. „Wir würden gerne die Steuern für alle auf alles radikal senken“, sagte Joachim Wuermeling (CSU), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium gestern in Berlin. „Aber wir haben kein Geld dafür.“ Zudem lenke die Forderung von der eigentlichen Frage ab, ob der Wettbewerb im Stromsektor funktioniere. Es gebe „Anzeichen dafür“, dass dies nicht der Fall sei, sagte Wuermeling. Der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion Ulrich Kelber nannte den Vorstoß des Konzerns ebenfalls einen „dreistmöglichen Ablenkungsversuch“.

Der Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Europe AG, Klaus Rauscher, hatte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Halbierung der Mehrwertsteuer auf Elektrizität gefordert. Wegen der Notwendigkeit des Stroms für das tägliche Leben biete sich an, den darauf erhobenen Steuersatz ähnlich deutlich zu reduzieren wie bei Lebensmitteln. Für diese gilt ein reduzierter Satz von 7 Prozent statt der ansonsten erhobenen 16 Prozent.

Der SPD-Politiker Kelber verwies im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa darauf, dass Eon, RWE, EnBW und Vattenfall ihre Gewinne innerhalb von drei Jahren von 4,6 Milliarden auf 13,5 Milliarden Euro pro Jahr erhöht. „Die Kunden werden abgezockt und alles Mögliche vorgeschoben: Steuern, Weltmarktpreise, Emissionshandel. Die Wahrheit sieht man beim Blick in die Konzernbilanzen.“

Auch Wuermeling zweifelte an der Argumentation der Stromkonzerne, die ihre Preiserhöhungen auch mit einem gestiegenen Handelspreis für Strom an der Leipziger Börse begründen. Der Großhandelspreis sei so stark gestiegen, dass dies nicht allein durch gestiegene Rohstoffkosten zu erklären sei. „Es stellt sich die Frage nach erhöhter Transparenz“, sagte der Staatssekretär auf einer energiewirtschaftlichen Tagung in Berlin. Er bestätigte, dass die Bundesregierung dem Bundeskartellamt mehr Rechte bei der Kontrolle der Konzerne geben wolle.

Dagegen sprach sich auf derselben Tagung Jürgen Kroneberg Vorstand der RWE Energy AG, aus. „Wir haben eine Missbrauchsaufsicht, die funktioniert“, sagte er. Zudem sehe er bei der Preisgestaltung keinen Missbrauch. Strom sei derzeit in Europa knapp, deshalb werde er teurer, wie andere Rohstoffe auch.

STEPHAN KOSCH