Halbe Kraft voraus in Richtung Libanon

Die Vereinten Nationen haben die Bundesregierung um Einsatz der Marine vor der libanesischen Küste gebeten. Die UNO verhandelt noch über Einsatzbedingungen. SPD-Fraktionschef Peter Struck ist zuversichtlich, die Skepsis in der Union wächst

VON BETTINA GAUS

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck rechnet mit einer überwältigenden Zustimmung der Regierungsfraktionen zu einem Einsatz der Bundeswehr vor der Küste des Libanon. Diese Einschätzung ist bemerkenswert – vor allem deshalb, weil zum Zeitpunkt der Interview-Äußerungen des ehemaligen Verteidigungsministers weder Einsatzregeln noch Operationsplan der Mission feststanden. Die Vereinten Nationen haben der Bundesregierung gestern aber immerhin die lange erwartete offizielle Anfrage zur Unterstützung der geplanten Friedenstruppe durch die deutsche Marine übermittelt.

Dieses Schreiben soll nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm nun zunächst von Fachleuten des Verteidigungsministeriums geprüft werden. Zeitgleich wurde bei der UNO weiterhin über noch strittige Fragen verhandelt. In dieser „Endphase der Beratungen“ sei man „auf gutem Weg,“ sagte Wilhelm. Die Entscheidung könne erst auf Basis der Kenntnis des „Gesamtpakets“ fallen, das aus Anforderung, Operationsplan und Einsatzrichtlinien besteht.

Das deutsche Kontingent vor der libanesischen Küste, das Medienberichten zufolge eine Truppenstärke von mehr als 2.000 SoldatInnen haben wird, soll Waffenschmuggel für die radikal-islamische Hisbollah-Miliz vom Meer aus unterbinden. Strittig war bislang, auf welche Weise und mit welchen Möglichkeiten das geschehen soll.

Unklar war vor allem, in welcher Entfernung zur Küste deutsche Marineeinheiten operieren dürfen und ob sie für eine Überprüfung verdächtiger Schiffe im jeweiligen Einzelfall ausdrücklich die Zustimmung der libanesischen Regierung benötigen. Einige Wehrexperten erklärten, das mache eine effiziente Kontrolle unmöglich. Auch sei der zunächst von der libanesischen Regierung gewünschte Abstand von sechs bis sieben Meilen zur Küste zu groß, um Waffenschmuggel zu unterbinden.

Wenn nach der Einsatzanfrage auch die entsprechenden Richtlinien – „rules of engagement“ – ausgearbeitet sind, sollen, so Ulrich Wilhelm, zunächst die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen unterrichtet werden. Anders ausgedrückt: Dann wird auch Peter Struck erfahren, für welchen Auftrag und welches Mandat er genau eine eindeutige Mehrheit der Koalitionsfraktionen erwartet.

Im Kabinett scheint der Regierungssprecher einen rasanten Prozess der Meinungsbildung zu erwarten: Er hält für möglich, dass die Entscheidung bereits morgen fällt, spätestens jedoch auf einer möglichen Sondersitzung in der zweiten Wochenhälfte. Danach muss der Bundestag grünes Licht für den Einsatz geben. Ob die Mehrheit dort so groß sein wird, wie Struck das annimmt, bleibt abzuwarten.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Bernd Siebert, sprach sich für den Fall unzureichender Bedingungen gegen einen Libanon-Einsatz der Marine aus. Er erklärte in einem Interview, die Entsendung ablehnen zu wollen, falls der Bundeswehr die Kontrolle verdächtiger Schiffe untersagt werde.

FDP und Linkspartei haben bereits angekündigt, der geplanten Operation ihre Zustimmung verweigern zu wollen. Bündnis 90/Die Grünen haben sich die Entscheidung bisher offen gehalten. Fraktionsvize Jürgen Trittin forderte ein „robustes Mandat“ und kritisierte die in der letzten Woche von Beirut gestellten Bedingungen: „Die UN-Mission verfehlte ihren Zweck, wenn sie reine Beobachteraufgaben hätte.“ Israel hatte am Freitag seine acht Wochen lang bestehende Seeblockade des Libanon aufgehoben und damit den Weg für internationale Marine-Einheiten freigemacht.