Seine Leiblichkeit gibt den Stab ab

Zeitweilig wog er 230 Kilo und musste Flugzeuge durch die Ladeluke betreten. Trotz aller Leibesfülle war er der wohl sportbegeistertste Adlige auf Erden: 1933, als gertenschlanker Kronprinz, stellte er den Landesrekord im Stabhochsprung auf; er spielte Rugby, radelte und ruderte noch mit über 70 durch den Hafen. Taufa’ahau Tupou IV. herrschte 41 Jahre lang über die 170 Tonga-Inseln im Südpazifik. Am Sonntag starb der beliebte wie beleibte König 88-jährig in einem Krankenhaus in Neuseeland.

Tonga galt seit James Cook als „die freundlichen Inseln“, Tupou als „gütiger Monarch“. Ein besonders eigenwilliges Bild gab er ab, wenn er auf schmalbrüstige Staatsmänner traf. Neben Tupou wirkte sogar Helmut Kohl wie ein Suppenkasper. Die Lebensleistung Seiner Leiblichkeit bestand darin, mit seinem armen, schwer christlichen und konservativen Ministaat große Welt zu spielen. Mal bot er den Industrienationen einen erloschenen Vulkan als Atomklo an, mal hatte er gigantische Ölquellen entdeckt, mal wollte er eine Teddybärenindustrie aufbauen. Für bis zu 10.000 Dollar hatten die Tupou-Royals Ende der 80er-Jahre 5.000 Staatsbürgerschaften verhökert, meist an Hongkongchinesen, die sich vor der roten Übernahme fürchteten. Später war das Geld verschwunden, der naive König war auf einen US-Anlagehai hereingefallen.

Zum Millenniumswechsel ließ Tupou die Uhren vorstellen, damit Tonga als Erstes das neue Jahrtausend erlebt. „Lummerland“ nannte die Zeit den Staat von König Alfons Tupou dem Viertelvorzwölften. In den letzten Jahren hatte er, gesundheitlich angeschlagen, der Kokosmilch entsagt und über zwei Zentner abgenommen.

Innenpolitisch blockte der sture Tupou Reformer stets ab. Die gewählte Volksvertretung hatte kaum Einfluss. „Wahlen sind immer ein Risiko“, so sein Credo, „wie leicht können Parlamente korrumpiert werden.“ Und: „Wenn Sie die Korruption abschaffen wollen, müssen Sie die Menschen abschaffen.“ Nur ein Königshaus biete dauerhaft Sicherheit und Frieden. Tonga mit seinen 110.000 Einwohnern war als einziger Südseestaat nie Kolonie. Im September 2005 saß Tupou, längst im Rollstuhl, eine Großdemo für mehr Demokratie in der Hauptstadt Nuku’alofa aus.

Der blaublütige Pazifikkoloss war der erste leibhaftige König, der der taz die Ehre eines Interviews gewährte (1990). Die Adels-taz am 23.10.1999 krönte Tupou gar mit dem Debattenbeitrag „Wir sitzen alle in einem Kanu“, in der der Bismarck-Verehrer leidenschaftlich dafür plädierte, Deutschland möge wieder Monarchie werden. Erleben durfte er das nun nicht mehr. Tonga wird ein Jahr lang offiziell trauern.

BERND MÜLLENDER