Obama plant Schnüffelgesetze

USA Die Regierung will Abhörschnittstellen in jedem einzelnen Internet-Kommunikationsdienst zur Pflicht machen. Netzaktivisten protestieren empört dagegen

Es soll möglich werden, Kommunikation jederzeit abzufangen und zu dekodieren

VON BEN SCHWAN

Das Internet bringt für Polizeibehörden und Geheimdienste ganz neue Herausforderungen mit sich: Bürger können sich durch die Verwendung neuer, stark verschlüsselter Kommunikationsdienste deutlich besser vor Abhör- und Spähangriffen schützen. Was Netzbürgerrechtler und Datenschützer für zwingende technische Maßnahmen im digitalen Zeitalter halten, sehen Innenpolitiker als Sicherheitslücke an. Sie würden am liebsten jede Art von Kommunikation abhören können – natürlich nur zur Verbrechensbekämpfung.

Bislang existiert für neue Internetdienste aber noch keine Pflicht, entsprechende Überwachungsschnittstellen zu implementieren – und genau das will die US-Regierung durch ein neues Gesetzespaket ändern. Wie die New York Times am Montag meldete, soll davon kein Dienst ausgenommen sein – egal ob verschlüsselte E-Mail, soziale Netzwerke wie Facebook oder Internettelefonie über verteilte Netze wie Skype. Dabei soll es technisch möglich werden, Kommunikation jederzeit abzufangen und zu dekodieren.

Damit kommt die Regierung Forderungen unter anderem vom FBI und den nationalen Sicherheitsbehörden des Landes nach. Laut dem Bericht will die Obama-Regierung das entsprechende Gesetzespaket im nächsten Jahr vor den US-Kongress bringen.

Die neue Regelung würde Überwachungsmaßnahmen weitläufig streuen. Statt an zentraler Stelle abzuhören, müssten Geheimdienste und Polizisten zunächst ermitteln, mit welcher Kommunikationstechnik ein Verdächtiger arbeitet. Dann würden sie zum jeweilen Diensteanbieter gehen, um von dort aus mitzuhören. In den USA gelten entsprechende Regelungen für Telefon- und Datennetze schon seit über 15 Jahren. Für die Möglichkeit, einzelne Dienste abzuhören, hat man beim FBI bereits einen eigenen Etat eingestellt: 2010 sind es rund 10 Millionen Dollar.

Völlig unklar ist auch noch, welche Auswirkungen das neue US-Gesetz auf ausländische Anbieter von Internet-Kommunikationsdiensten hätte. Diese könnten, wenn sie ihr Angebot in den USA bereithalten, von der Regelung genauso betroffen sein – mit allen datenschutzrechtlichen Folgen.

Bürgerrechtler halten von den geplanten Gesetzen gar nichts. James Dempsey vom Center for Democracy and Technology sagt, das Vorhaben verlange nach einem Komplettumbau des Netzes. „Die Behörden wollen die Uhr zurückdrehen und aus dem Netz wieder eine Art Telefonnetz machen.“

Noch im Wahlkampf hatte sich Obama als großer Freund des Internets präsentiert – doch diese Elemente werden nun Schritt für Schritt zurückgerollt. Zuletzt waren Pläne des US-Kongresses bekannt geworden, nach denen eine Blockadeliste für Internetadressen eingerichtet werden soll – ähnlich der in Deutschland umstrittenen Netzsperren. Die Liste soll von Richtern und vom Justizministerium befüllt werden dürfen. Es wäre das erste Mal, dass die USA das Internet offen zensieren.

Gesellschaft + Kultur SEITE 14