Die etwas andere WM

Bei der Fußball-WM der Menschen mit Behinderung läuft nicht alles rund. Engländer und Deutsche wissen warum

Das beschauliche Franz-Kremer-Stadion in Köln blieb gestern mal wieder verwaist. Kein Mann, kein Schuss, kein Tor. Hier, wo sonntags die Amateure des Zweitligisten 1. FC Köln spielen und grätschen, sollte der britische Bruderkampf England gegen Nordirland stattfinden – im Rahmen der Fußball-WM für Menschen mit Behinderung. Doch der große Bruder England verzichtete kurzerhand auf das Spiel und reiste ab. Ohne Begründung. Nordirland wurde zum Sieger erklärt und darf am kommenden Wochenende in Krefeld um den fünften Platz kämpfen. Der Gegner heißt dann Frankreich oder Ungarn.

Es blieb bislang der einzige Eklat der WM, dem vierten Turnier seiner Art. Lediglich Sportler mit Lernschwäche und einem Intelligenzquotienten von maximal 75 dürfen daran teilnehmen. Und der Eklat war wohl hausgemacht. England-Coach Jeff Davies stellte den Veranstaltern jedenfalls ein gutes Zeugnis aus: Organisation und Stimmung seien perfekt gewesen. Ob die plötzliche Flucht also an der verpassten Titelverteidigung lag?

„Wir können es uns nicht vorstellen“, sagte Weltverbandssprecher Otfried Morin. Er habe die Engländer als tadellose Sportsleute kennen gelernt. Natürlich seien die Verantwortlichen über die Abreise enttäuscht: „Wir haben den Modus extra so angelegt, dass alle 16 Teams, egal wie erfolgreich sie spielen, sechs Spiele absolvieren können.“ Oft bekämen die Spieler eine derartige Gelegenheit nicht, so Morin. Drei Wochen lang leben sie ausschließlich für den Fußball.

Auch die Zuschauer sind enttäuscht. „Wir mussten am Telefon versuchen, den Schülern zu erklären, warum das Spiel nicht stattfinden kann“, sagte Morin. Für eine Ersatzlösung sei das Zeitfenster zu knapp gewesen. Immerhin konnten sich die Fans am Fernseher gemeinsam das Halbfinalspiel Deutschland gegen Holland anschauen. Doch wahrscheinlich hielt sich dabei die Euphorie in Grenzen. Das deutsche Team verlor mit 0:5. Immerhin blieb ihnen ein größeres Debakel erspart. Die Australier unterlagen dem Oranje-Team zuvor mit 2:50; alle 100 Sekunden fiel ein Tor.

Am kommenden Wochenende geht die WM mit dem Finale in der Leverkusener Bay-Arena zu Ende. In Nordrhein-Westfalen fanden 26 Spiele statt. In den Bundesliga-Städten Aachen, Bochum und Dortmund, aber auch in der fußballerischen Provinz: Dinslaken, Olpe und Waltrop.

HOLGER PAULER