Deals mit dem Drachen machen

Zum „China Summit“ schmeißt sich Hamburg der kommenden Wirtschaftsmacht an den Hals. Darf man mit chronischen Menschenrechtsverletzern Handel treiben? Die taz diskutiert Pro und Contra

Pro
Realitäten sehen, Realitäten verändern

Natürlich ist China nach westlichen Maßstäben keine Demokratie. Gerade deshalb aber ist der Dialog umso wichtiger. Die Debatte eben und gerade auch über Wertvorstellungen, die Debatte eben und gerade auch mit China muss mit klaren Zielvorstellungen geführt werden. Dies nicht zu tun, wäre allerdings fahrlässig – politisch, wirtschaftlich und kulturell.

Wenn die China-Wochen in Hamburg dazu beitragen, den Dialog zu befördern, ist das in Ordnung. Dazu gehört aber in erster Linie der politische Wille und Mut, den hofierten kommunistischen Kapitalisten – oder, je nach Gusto, auch umgekehrt – die Meinung zu sagen. Das Problem ist, dass es westlichen Politikern, und erst recht dem unbedeutenden Bürgermeister einer – nach chinesischen Maßstäben – Kleinstadt in Norddeutschland, eben daran mangelt.

Das Reich der Mitte ist eine politische Großmacht, die nicht ignoriert werden kann. Und wer in zwei Jahren bei den Olympischen Spielen in Peking mehr oder minder viel Sportsgeist zeigen will, kann sich nicht mit dem Hinweis auf den dort herrschenden Ungeist um unbequeme Themen herummogeln.

Die ökonomische Beziehungen zum Reich der Mitte sind nicht mehr aus der globalisierten Welt zu schaffen, schon gar nicht für Deutschland, eine der führenden Wirtschaftsnationen. Und auch nicht für Hamburg, den größten Hafen Nordeuropas. Die Zusammenarbeit mit der chinesischen Diktatur aber exklusiv den Krämern zu überlassen, wäre fatal. Geld nämlich kann sehr wohl stinken, halbwegs gereinigt bekommt man es nur im Dialog der Gesellschaften. Über Menschenrechte und Umweltschutz, über Kultur und Wissenschaft, über Politik und Handel, über Verbindendes und Trennendes.

In der real existierenden Welt ist ein Gigant wie China nicht zu übersehen oder zu übergehen. Wer das tut, stellt sich selbst ins Abseits und begibt sich der Chance, Einfluss zu nehmen. Realitäten können verändert werden, aber nicht durch Verdrängen. Sven-Michael Veit

Contra
Es zählen Gewinne, nicht Menschenrechte

„Die Menschenrechte sind uns nicht gleichgültig“, verlautbart Handelskammerpräses Karl-Joachim Dreyer, beim „Hamburg Summit“ aber wolle man sich ganz „auf wirtschaftliche Fragen konzentrieren.“ Eine ehrliche Botschaft, weil sie darauf verzichtet, die boomenden Handelsbeziehungen zum Reich der Mitte mit der Schutzbehauptung zu bemänteln, durch die ökonomische Anbindung Chinas an den Westen Bewegung in die Menschenrechtsfrage bringen zu wollen. Investoren, denen das Wort „China“ Glanz in die Augen treibt, erwirtschaften im Handel mit dem Reich der Mitte hohe Renditen schließlich nicht deshalb, weil sie China so gerne zur Demokratie bekehren würden.

Gesellschaftlicher Wandel durch Handel lautet trotzdem die Devise, mit der jede Kritik an den Geschäften mit einem Land, in dem die systematische Verfolgung und Hinrichtung Oppositioneller an der Tagesordnung ist, mundtot gemacht werden soll. Doch es ist eine Mär, der Kapitalismus werde China die Demokratie zufliegen lassen. Im Gegenteil: Der schwunghafte Handel mit China bringt Deutschland und Hamburg nicht nur Profit, er stützt auch ein Regime, das große Teile seiner Bevölkerung knechtet. Die Arbeitslager, in denen drei Millionen Menschen unter Zwang und Folter Exportwaren herstellen, sind ein fester Faktor der boomenden chinesischen Außenwirtschaft. Wer wie Hamburg von dieser Zwangsarbeit profitiert, muss sich die Frage nach seiner Mitverantwortung gefallen lassen.

Der Hamburg-Summit blendet das hässliche China konsequent aus. Chinas Präsentation als fernöstliche Kulturnation und attraktiver Geschäftspartner soll die öffentliche Akzeptanz für die Handelsbeziehungen mit Peking stärken. Das Thema der Gewaltherrschaft aber bleibt honorigen Menschenrechtsvereinen überlassen.

Auch das wiederum ist nur ehrlich: Denn die rituellen Menschenrechts-Appelle deutscher Politiker an die chinesische Führung sind kaum mehr als eine traurige Pflichtveranstaltung.Marco Carini