Ein starker Charakter zu viel

Überraschend tritt Susanne Baer zurück, die Vizepräsidentin der Humboldt-Uni. Der Grund sind Differenzen mit Christoph Markschies, dem Mann an der Spitze der traditionsreichen Universität

VON ULRICH SCHULTE

Vor fast genau einem Jahr sprach Susanne Baer, Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien, voller Energie über ihren neuen Posten: „Ich trete mein Amt als Vizepräsidentin gerne an und glaube, da werde ich auch gebraucht“, sagte das künftige Präsidiumsmitglied der Humboldt-Universität (HU). Baer, eine schwungvolle Vertreterin ihrer Zunft, übernahm den Bereich Lehre, Studium und Internationales. Viele Studierende erhofften sich von ihr eine Stärkung ihrer Interessen: „Sie wollte ihr Ressort intensiv gestalten und hatte sich viel vorgenommen“, sagt René Held vom ReferentInnenrat der HU.

Am Montagabend ließ die so hoffnungsfroh Gestartete ein paar Zeilen verbreiten, in denen sie überraschend ihren Rücktritt erklärte. „Der Grund sind nicht aufzulösende Differenzen in der Leitung der Universität.“ Das Präsidium verschickte postwendend eine Mitteilung, in der es Dank und Respekt „für die bisher geleistete Arbeit“ ausdrückt. Sie umfasst zwei trockene Sätze. Ansonsten hüllten sich die Kontrahenten gestern in Schweigen.

So korrespondieren Menschen, zwischen denen alles gesagt ist. Mit dem Rücktritt geht ein langer Streit um den Kurs der Humboldt-Universität zu Ende – zwischen Baer auf der einen und Christoph Markschies auf der anderen Seite, dem am 1. Januar inthronisierten Präsidenten.

Zwei so starke Charaktere waren wohl zu viel für ein Präsidium: Beide sind eloquent, beide sprühen vor Ideen. Aus der Professorenschaft ist zu erfahren, dass beide ein völlig anderes Verständnis davon haben, wie eine große Universität zu führen sei. Baer setzt auf Partizipation aller Gruppen, auf Offenheit und Mitbestimmung. Markschies bevorzugt eine hierarchische Organisation, in der wenige Personen das Sagen haben. Studierendenvertreter Held bestätigt dies. Markschies habe schon sehr oft von seiner „Richtlinienkompetenz“ Gebrauch gemacht. Bei Sitzungen des Akademischen Senats habe es da schon mal Sticheleien gegen die Kollegin gegeben.

Doch auch inhaltlich lagen die Expertin für feministische Rechtswissenschaft und der Theologe oft überquer. Zum einen hat Markschies sehr genaue Vorstellungen von Baers Ressort. Die Einheit von Forschung und Lehre müsse aufgebrochen werden, kündigte er in einem Interview im Februar an. „Deshalb wollen wir Positionen für Lehrende schaffen und anderen ermöglichen, sich ganz auf ihre Forschung zu konzentrieren.“ Für die Aufteilung der Professorenschaft wäre es nötig, die Lehrverpflichtungsordnung umzuschreiben.

Auch bei der Zulassungssatzung gab es Streit. Während Baer und andere Professoren gegen Auswahlgespräche mit Schulabgängern war, setzte Markschies sie per Machtwort bei manchen Masterstudiengängen durch. Mit solchen Formalien wird sich Susanne Baer nicht mehr beschäftigen. Ihr bleibt der Lehrstuhl an der Juristischen Fakultät.