Plausch und Klüngel

POLITIK Vieles, was Politiker täglich erfahren und erleben, bleibt geheim. Besonders ihr Austausch mit Journalisten und Lobbyisten

„Wenn jemand plaudert, fliegt er raus“

ASTRID GEISLER, TAZ-PARLAMENTSKORRESPONDENTIN

Regelmäßig trifft sich Hannes Koch gemeinsam mit anderen ausgewählten Medienvertretern mit Spitzenpolitikern, um an geheime Informationen zu gelangen. Im Berliner Politikbetrieb gibt es Dutzende solcher Hintergrundkreise. Sie sind Raum für vertraulichen Austausch in kleiner Runde. Diese Zusammenkünfte sind kein Geheimnis. Dennoch gibt der freie Journalist zu, dass sie etwas „Klüngelmäßiges“ haben. Denn nur wenige Personen haben Zugang, und von dem Gesprochenen dringt in der Regel nichts nach außen.

Journalisten, die Informationen geheim halten – das entspricht nicht gerade dem Bild des Publizisten, der die Öffentlichkeit aufklärt. „Es hat manchmal etwas Hinterhältiges, dass Dinge im Hintergrund bleiben“, sagt Astrid Geisler, taz-Parlamentskorrespondentin. Vor allem, wenn Politiker etwas Schlechtes über die Gegenseite in Umlauf bringen. Diese Praxis des geheimen Austauschs zwischen Politikern und Journalisten hat aber eine wichtige Funktion. Journalisten können so das jeweilige Thema und Entscheidungen besser nachvollziehen. Die geheimen Informationen tragen also zu einer besseren Berichterstattung bei.

Strikte Abmachungen, wie mit den vermittelten Informationen in solchen Hintergrundkreisen umzugehen sei, und Treffpunkte abseits vom Rampenlicht sorgen für eine Atmosphäre, in der Politiker offen sprechen können, ohne ungewollte Schlagzeilen fürchten zu müssen. „Politiker können ihren ‚Spin‘, ihre eigene Sicht auf die politischen Ereignisse, in Umlauf bringen“, erklärt Astrid Geisler. Sollten die Informationen dennoch von Journalisten veröffentlicht werden, hat das Konsequenzen. „Wenn jemand plaudert, fliegt er raus“, sagt Geisler.

Luise Amtsberg sitzt seit September für die Grünen im Bundestag. Ehe sich die 23-Jährige einem Journalisten anvertraut, bedarf es einer Vertrauensbasis. „Wenn ich es in einem Gespräch mit einem Journalisten auf die Spitze treibe, weiß ich, dass das problematisch werden kann, sobald es unverblümt gedruckt wird. Deshalb vertraut man ja auch nicht jedem.“

Trotzdem lässt auch Amtsberg sich ab und an aus der Reserve locken, wenn sie will, dass Medien ihre Ansichten besser einordnen können. Informationen jenseits der Öffentlichkeit tauscht sie aber nicht nur mit Journalisten aus. Sie befasst sich mit Flüchtlingspolitik. Deshalb diskutiert und berät sie sich auch mit Flüchtlingsverbänden.

„Diese Art von Lobbyismus halte ich für vertretbar. Brenzlig wird es da, wo Absprachen getroffen werden, bei denen man sich gegenseitig begünstigt.“ Sie will wissen, ob Abgeordnete aus Überzeugung für etwas stimmen oder weil sie an andere Stelle Vorteile bekommen.

Im Gegensatz zu Politikern und Journalisten hat es der einfache Bürger schwer, sich ein fundiertes Bild über Lobbyismus zu verschaffen. Lobbyisten müssen nah dran sein am politischen Geschehen, wollen sie ihre Interessen einbringen. Deshalb hat sich ein Großteil der Verbände im Regierungsviertel angesiedelt – hinter geschlossenen Vorhängen.

Einen Blick dahinter bietet der Verein LobbyControl mit seiner Stadtführung durch den „Lobbydschungel Berlin“. Treffpunkt am vergangenen Samstag ist die „Ständige Vertretung“ am Spreeufer. Hier findet Lobbyismus tagtäglich statt. Hier treffen sich Wirtschaftsvertreter mit Abgeordneten zum netten Plausch. Die junge Stadtführerin leitet die ausgebuchte Gruppe durch das „wohl prominenteste Lobbyviertel“ in Berlin-Mitte.

„Im Bundestag sitzen etwa 5.000 Lobbyisten. Achtmal so viele, wie es Abgeordnete gibt“, sagt sie. Wie viele aber auf einen Verband kommen, ist geheim. Lediglich eine Liste der Verbände gibt es. Auf fast 800 Seiten führt diese 2.163 registrierte Verbände auf (siehe Grafik).

Dabei haben sie großen Einfluss auf die Politik, wirken etwa an Gesetzestexten mit. Außerdem gibt es Verstrickungen zwischen Politik und Wirtschaft. Politiker werden von Wirtschaftsverbänden umworben und teils für repräsentative Tätigkeiten bezahlt. Doch nicht jeder Politiker ist für derartige Geschäfte empfänglich. Daher kursiert laut LobbyControl eine Art Ampelsystem, das die „Empfangsbereitschaft“ der Politiker einordnet. Wer aber wie bewertet wird, bleibt – wie so vieles in der Politik – unter Verschluss.

MALTE CEGIOLKA, JONAS SCHLEMME