Lustvolles Rollenspiel

NEUE ÄRA I Beim 1:1 in Bremen kopiert Huub Stevens bei seinem Trainerdebüt für den VfB Stuttgart das Spiel des Gegners und verzichtet komplett auf die Balleroberung in der gegnerischen Hälfte

AUS BREMEN RALF LORENZEN

Von Fredi Bobic gibt es ein besonders sympathisches Foto aus dem Jahr 2005 – das zeigt ihn breit lächelnd unter einem sehr rotem Hightech-Helm. Damals war er vom deutschen Feuerwehrverband zu dessen Botschafter ernannt worden. Inzwischen ist er Sportvorstand beim VfB Stuttgart und hat gerade mit Huub Stevens den Mann zum Trainer seines in Abstiegsnöten geratenen Klubs gemacht, der nach Peter Neururer (VfL Bochum) und Hans Meyer (in Rente) den Ruf genießt, der beste Feuerwehrmann der Bundesliga zu sein.

Nach dem dürftigem 2:2 gegen Eintracht Braunschweig in der Vorwoche und acht Niederlagen davor musste Bobic sich vorläufig von dem Plan verabschieden, sich mit einem jungen Konzepttrainer wie Thomas Schneider und einer jungen Mannschaft im oberen Bundesliga-Drittel zu etablieren. Auch sein Plan, seinen alten Kumpel Krassimir Balakow als Trainer zu installieren, scheiterte am Widerstand im Präsidium. Zum Glück war Huub Stevens gerade in Saloniki entlassen worden. Wer den Niederländer verpflichtet, setzt vor allem auf das Charisma eines Haudegens, dem man nichts mehr vormachen kann. Das hat schon bei seinem ersten Einsatz bei Windstärke neun im Bremer Weserstadion funktioniert. „Er strahlt sehr viel Ruhe, Souveränität und Autorität aus“, sagte der Ex-Bremer Martin Harnik nach dem Spiel. „Und das tut so einer jungen Mannschaft im Abstiegskampf sehr gut“.

Die Bremer, die sich selbst zuletzt etwas aus der Abstiegszone befreien konnten, trafen keineswegs auf einen verunsicherten Gegner, sondern auf „sehr selbstbewusste Schwaben“, wie Werders Österreicher Sebastian Prödl sagte. Die operierten nicht nur, wie man es von Stevens-Teams kennt, aus einer sicheren Ordnung heraus, sondern bekämpften die Bremer klug mit deren eigenen Waffen.

„Stuttgart hat heute den Spieß umgedreht und gespielt, wie wir in den vergangenen Wochen“, sagte Werders Trainer Robin Dutt. „Sie haben uns in der eigenen Hälfte den Ballbesitz überlassen.“ Manchmal wirkte es gar so, als ob beide Teams den Auftrag hätten, den Gegner möglichst schonend und zurückhaltend zu behandeln. Der Ball wechselte teilweise so schnell und unkontrolliert die Seiten, dass das Geschehen eher an den guten alten Flipperkasten erinnerte als an ein Fußballspiel.

Selbst die drei Höhepunkte machten da keine Ausnahme: Harniks Lattenelfmeter, nachdem sich Asssani Lukimya mit angelegtem Arm in einen Schuss aus drei Metern geworfen hatte, Georg Niedermeiers 1:0 per Nachschuss nach abgewehrtem Kopfball sowie Aaron Hunts abgefälschter Freistoß durch die Mauer. Während die Bremer sich damit trösteten, selbst aus einem schlechten Spiel einen Punkt mitgenommen zu haben, ärgerte sich Huub Stevens, dass seine Mannschaft „den Sack nach dem Führungstreffer nicht zugemacht“ habe. Er hatte aber bereits vorher verkündet, dass ein Erfolg auch darin bestehen könne, „dass man die Basis für die nächsten Spiele legt“. Nächste Woche kommt der Tabellennachbar HSV nach Stuttgart. Und wo war Bobic? Der trat am Abend zwar mit Managerkollege Thomas Eichin im aktuellen Sportstudio auf, machte sich im Stadion aber rar, war weder auf der Trainerbank noch in der Mixed-Zone präsent. Möglicherweise wollte er so dem Vorwurf begegnen, den VfB Stuttgart zu einer One-Man-Show gemacht zu haben. Mit Huub Sevens hat er nun einen Trainer an der Seite, der sich selbst nicht gern die Show stehlen lässt. Der spielte auch in Bremen wieder lustvoll mit seinem Image als „Knurrer“, verbreitete philosophische Leitsätze (“jeder Tag, an dem du nichts lernst, ist ein verlorener Tag“) und erzählte Döntjes aus dem Leben eines Feuerwehrmannes. Vielleicht sollte Bobic auch seinen Botschafterposten an ihn abtreten.