CDU liberaler als der Wolf erlaubt

Um konservative CDU-Kollegen nicht zu verbrämen, will NRW-Innenminister Wolf (FDP) bei der nächsten Konferenz seinen restriktiven Bleiberechtsentwurf erneuern. Vertreter der Landes-CDU halten den Vorschlag für zu streng

ESSEN taz ■ Trotz massiver Kritik von CDU, Kirchen und Flüchtlingsvertreter hält das NRW-Innenministerium an seinem restriktiven Entwurf für ein Bleiberecht fest. „Wir werden mit dem selben Vorschlag in die Innenministerkonferenz gehen wie im vergangenen Jahr“, kündigte Karl Peter Brendel am Dienstagabend auf einer Bleiberechtskonferenz in Essen an.

Der umstrittenste Punkt in dem Entwurf von NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) ist die Koppelung des Bleiberechts an eine zweijährige sozialversicherungspflichtige Arbeit. Weil in den meisten Kommunen Geduldete keine Arbeitserlaubnis erhalten, könnten nur etwa 1.000 Menschen von einem solchen Bleiberecht profitieren, fürchtet der Flüchtlingsrat NRW.

Selbst innerhalb der CDU werden die Stimmen lauter, die eine solche Bedingung für unsinnig halten: „Wenn die Flüchtlinge keine Arbeitserlaubnis erhalten, kann man sie nicht dafür verantwortlich machen“, sagte NRW-Integrationsbeauftrager Thomas Kufen auf der Konferenz in Essen. Auch Peter Biesenbach, Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion, hatte der taz gegenüber mehrmals eine Koppelung des Bleiberechts an einen festen Arbeitsplatz für falsch erklärt.

Die evangelische Kirche im Rheinland bemängelt die fehlende öffentliche Debatte um ein Bleiberecht in Deutschland. „Dem Misstrauen in der Bevölkerung muss man mit guten Argumenten begegnen“, sagte Landeskirchenrat Jörn-Erik Gutheil. Für völlig unbrauchbar halte er eine Stichtagsregelung, nach der auch integrierte Flüchtlinge, die einen Tag nach dem gesetzten Datum nach Deutschland eingereist sind, abgeschoben werden können. „Wenn das so beschlossen wird, werden wir in ein paar Jahren wieder über neue Altfälle diskutieren.“ Der Kritik schließt sich auch der Integrationsbeauftragte Kufen an: „Ich bin gegen eine Stichtagsregelung“, sagte er. Seine Partei plädiere vielmehr für ein Bleiberecht, dass sich „an der Integration der Kinder orientiert“. Trotz allem unterstütze er den Antrag des Innenministers, ruderte er dann wieder zurück.

Die Begründung, warum ein liberaler Innenminister sich vom konservativen Koalitionspartner links überholen lässt, lieferte sein Stellvertreter prompt: „Wir wollen die Latte nicht zu hoch anzulegen“, so Staatssekretär Brendel. Mit einer allzu großzügigen Regelung würde man die CDU-Innenminister verschrecken, die gegen ein Bleiberecht generelle Bedenken hätten.

Mit demselben Argument lehnte das Innenministerium einen Abschiebestopp für Flüchtlinge mit Aussicht auf eine Bleiberecht ab. Mit einer so genannten Vorgriffsregelung, wie sie etwa das Bundesland Berlin erlassen hat, setze man die skeptischen Innenminister unter Druck, sagte Wolfs Sprecherin der taz. Auf der Flüchtlingskonferenz argumentierte Brendel aber anders: „Ich halte das rechtlich nicht für möglich.“

Dem widersprachen die anderen Teilnehmer vehement: „Nichts ist weniger objektiv als die Rechtswissenschaft“, sagte Stefan Keßler vom Flüchtlingsrat NRW. Die Abschiebung von geduldeten Flüchtlingen auszusetzen, ließe sich durchaus mit dem geltenden Recht vereinbaren. „Das ist nur eine Sache des politischen Willens“, stimmte ihm auch Landeskirchenrat Gutheil zu. Die NRW-Regierung wolle nur keinen Abschiebestopp, weil sie dann für die Flüchtlinge aufkommen müsste.

Dass die Stadt Mülheim indes ihre Bleiberechtskandidaten erst einmal nicht abschiebt, scheint der Landesregierung aufzustoßen: „Wir haben eine Anfrage gestellt, was die da überhaupt machen“, sagte Staatssekretär Brendel. NATALIE WIESMANN