OST-DERBY
: Faust im Arm

Fast als Einziger hier ist er nicht für Hertha

Irgendwie habe ich Lust auf das „Ost-Derby“ in der Zweiten Liga. Energie Cottbus gegen Hertha BSC. In der nahegelegenen Neuköllner Eckkneipe merke ich, wie lange ich nicht mehr unter den Leuten war. Und dass ich, seit ich nicht mehr Taxi fahre, noch weniger Kontakt zu den Leuten habe als ohnehin schon. So stakse ich unsicher durch den überfüllten Laden wie eine Drag Queen durch das Vereinsheim der „Hell’s Angels“. Schließlich weist mich ein freundlicher Gast auf einen wie durch ein Wunder in bester Blicklage freien Barhocker hin. Danke.

Neben mir sitzt der wohl allseits bekannte, renitenteste Labersack des Lokals. Das erklärt einiges. Fast als Einziger hier ist er nicht für Hertha. Ich auch nicht. Für Cottbus bin ich ebenfalls nicht. Noch weniger als diese beiden Mannschaften kann ich allenfalls Hannover leiden. Als ich das blaue Schild sehe, dass für jedes Tor von Hertha jeder Gast einen Kümmerling aufs Haus bekommt, sinkt die Waage langsam, aber sicher Richtung Cottbus.

Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, haut mir der renitente Labersack in einem fort die rechte Faust in den linken Oberarm. „Damals bei der WM 58“, kommentiert der Labersack die aufgeheizte Atmosphäre, „in Schweden. Da war noch richtig Stimmung. Die ganze Zeit ‚Heja, Heja‘. Aber da warst du wohl noch nicht geboren.“

„Nein“, gebe ich zu. „Aber ich hatte Grundkurs Geschichte.“ Zwischen zwei Schlägen outet er sich als Fan von Hannover 96. Der erste Kümmerling kommt. Ich lasse ihn mir schmecken. Die Berliner gewinnen schließlich mit Glück. Allerdings muss ich zugeben, dass Cottbus insgesamt deutlich mehr Chancen hat. „Und?“, schreit mich am Ende der Labersack an. „Du musst doch zugeben, dass Cottbus deutlich mehr Chancen hatte!“ „Nein“, antworte ich. Der renitente Labersack drischt mir die Faust in den Arm. ULI HANNEMANN