Keine Entwarnung in der Bildung

Das Statistische Bundesamt hat OECD-Bildungsindikatoren im Ländervergleich untersucht – und bestätigt die bekannten Defizite im deutschen Bildungssystem

BERLIN taz ■ Grund zur Freude gibt es nicht im deutschen Bildungssystem. Das bestätigte gestern das Statistische Bundesamt, das die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“ um einen Bundesländervergleich ergänzte. Darin wird erneut deutlich, dass die Bildungsausgaben in Deutschland noch immer unter dem OECD-Durchschnitt liegen. 2003 wurden für die Schulen 3,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgegeben, der OECD-Durchschnitt liegt dagegen bei 3,8 Prozent.

Die Statistiker aus Wiesbaden wollen mit ihrer Veröffentlichung „Internationale Bildungsindikatoren im Ländervergleich“ zeigen, dass es aber auch in Deutschland Gründe gibt, stolz auf die Bildung zu sein: 90 Prozent der 25- bis 64-Jährigen aus den neuen Bundesländern haben einen höheren Abschluss. Damit liegen sie im internationalen Vergleich an der Spitze. Auf das heutige Bildungssystem schließen kann man deswegen aber nicht. Denn die Abschlüsse der Sechzigjährigen sagen wenig über die Lage der Jugendlichen in Deutschland aus.

„Aus unseren Zahlen kann es keine Entwarnung für das deutsche Bildungssystem geben“, sagte Walter Radermacher, Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes, der taz. „Es gibt keinen Grund zum Jubeln.“ Denn in einigen Bereichen bestehe in Deutschland ein dringender Handlungsbedarf. Auch wenn einige Bereiche noch immer vorne lägen, könnten diese nicht über die Defizite im Bildungssystem hinwegtäuschen.

Darüber Auskunft gibt auch der Datenreport, den das Statistische Bundesamt gestern herausgab. Der zeigt zum Beispiel, dass die Bildungsungleichheiten für Migrantenkinder in Deutschland weiter zunehmen. Diese besuchen besonders selten eine Vorschule oder einen Kindergarten. Und der Datenreport zeigt auch: Migrantenkinder, die eine Vorschule besucht haben, haben eine dreimal so hohe Chance, später ein Gymnasium zu besuchen.

„Die Schlechterstellung von Migrantenkindern und von deutschen Kindern aus niedrigeren Statusgruppen zeigt sich in allen Bildungsstufen“, erklärte Heinz-Herbert Noll, Mitherausgeber des Datenreports. Damit bestätigt das Statistische Bundesamt, was die Pisa-Ergebnisse Deutschland schon vorwarfen: dass es in Deutschland einen besonders engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, Migrationshintergrund und Schulerfolg gibt.

Die Ergebnisse des Ländervergleichs haben nach Angaben von Radermacher vor allem eine politikberatende Funktion. Damit begründet er, dass darin nur der Rahmen des Bildungssystems untersucht wurde. Während das Statistische Bundesamt die Anzahl der Abschlüsse in den einzelnen Bundesländern zählte, fragte es im Gegensatz zur Pisa-Studie nicht nach dem tatsächlich vorhandenen Wissen der Jugendlichen.

„An dem aktuellen Bildungsstand der Jugendlichen kann die Politik nichts ändern“, begründet Radermacher das Vorgehen der Statistiker. „Wenn sie die deutschen Pisa-Ergebnisse verbessern will, muss sie die harten Fakten des Bildungssystem kennen – und danach handeln“.

SOPHIE HAARHAUS