Der Libanon-Einsatz ist kein Angriff
: KOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Das Unbehagen bleibt. Die Öffentlichkeit wurde gestern noch immer nicht vollständig über die Einzelheiten des geplanten Einsatzes der Bundeswehr vor der libanesischen Küste informiert. Schlimmer noch: Wieder einmal beginnt eine militärische Operation, ohne dass es zugleich ein überzeugendes politisches Konzept für die Region gibt. Welch fatale Folgen ein solches Vorgehen haben kann, lässt sich derzeit in Afghanistan beobachten. An vielen anderen Krisenschauplätzen, auch im Nahen Osten, haben die Menschen schon bittere Erfahrungen mit derlei ungedeckten Wechseln auf die Zukunft gesammelt.

Dennoch spricht inzwischen mehr für als gegen diesen Einsatz. Das Mandat scheint genügend Handlungsspielraum zu lassen, um den Versuch einer Kontrolle des Seeweges nicht wie eine symbolische Aktion aussehen zu lassen. Zugleich wird der Souveränität des Libanon offenbar Rechnung getragen. Offenbar: Noch sind eben nicht alle Details bekannt. Aber wenigstens der Kurs zeichnet sich ab.

Es sieht so aus, als ob die Lotsen bei dessen Berechnung größere Sorgfalt haben walten lassen als bei früheren Fahrten in unbekannte Gewässer. Das hängt damit zusammen, dass diese Mission angesichts der deutschen Vergangenheit für die Bundeswehr besonders heikel ist. Neutralität ist mit Solidarität eben nur schwer vereinbar.

Es kann darüber gestritten werden, ob die Kanzlerin gut beraten war, dem Einsatz eine „historische Dimension“ zuzuschreiben. Was wollte sie damit eigentlich sagen? Dass nun ein Schlussstrich gezogen wird unter die Vergangenheit? Oder dass Deutschland in diesem Konflikt fest an der Seite Israels steht? Beide Interpretationen wären im Zusammenhang mit einem UN-Friedenseinsatz wenig hilfreich.

Die Gemengelage ist kompliziert. Aber es scheint tatsächlich keine Alternative zu einer internationalen Militäroperation zu geben. Das schreibt sich nicht leicht dahin. Immerhin sind mit genau diesem Argument schon Angriffskriege gerechtfertigt worden. Aber dieser Einsatz ist kein Angriff. Auch der Libanon wünscht ihn. Und er braucht für den Wiederaufbau offene Handelswege – auch übers Meer.

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