Der Diskursnebel vom Dartmoor

THEATER Im Kriminaltheater überzeugt „Der Hund der Baskervilles“ als Unterhaltungsstück mit vielen Zitaten aktueller TV-Serien – auch ohne den hohen eigenen Ansprüchen vollends gerecht zu werden

Im Wissen um gleich mehrere aktuelle TV-Serien und Kinofilme wirft die Inszenierung lustvoll mit Zitaten um sich.

“Manchmal habe ich richtig Lust, mich neu zu erfinden“, stöhnt Sherlock Holmes, während seine zwielichtige Psychoanalytikerin ihm die entblößte Brust krault. Und genau das tut Christian Aumer dann auch, obwohl er den hier ungewöhnlich wollüstigen Detektiv in der „Der Hund der Baskervilles“ nur in einer Nebenrolle spielt. Er tritt in dieser Inszenierung des Bremer Kriminaltheaters nur in wenigen Schlüsselszenen in Erscheinung, weiß aber gerade dort, entsprechend pointiert zu überzeugen.

Doch meist sitzt er daneben und schaut zu, denn Sherlock Holmes leidet unter Amnesie: Ein schreckliches Ereignisse auf dem Moor hat ihm die Erinnerung geraubt. Und um dieser wieder auf die Sprünge zu helfen, spielen ihm die Freunde den Fall noch einmal vor: Theater im Theater und ein unterhaltsames Spiel mit Rollen und Erwartungen.

Auf der Bühne sehen wir so einen etwas umständlich, aber klug konstruierten zweiten Fall als Rahmenhandlung des Klassikers. Damit hat Regisseur Ralf Knapp gleich zwei Schwierigkeiten des Stoffs gelöst: Die Hauptfigur ist über weite Strecken abwesend und jeder weiß, wie die Geschichte ausgeht. Im Theater mag das nebensächlich sein, aber für einen Krimi ist die hier auf den Rahmen verlagerte Spannung um den Ausgang – mit Holmes gesprochen – „elementar“.

Im Wissen um gleich mehrere aktuelle TV-Serien und Kinofilme wirft die Inszenierung lustvoll mit Zitaten um sich. Sherlocks Bruder Mycroft, die mysteriöse Irene Adler oder der deutsche Spion Von Bork werden hier kaum erläutert eingeführt.

Ebenfalls vertraut: Holmes mit Therapiesitzungen und seiner erwachenden Libido zu konfrontieren oder den ewigen Sidekick Dr. Watson gegen die Klugscheißereien seines oft unerträglichen Freundes aufbegehren zu lassen. Diese zentralen Motive aktueller Holmes-Pastiches werden hier zur Freude diskursbewanderter Fans kenntnisreich kommentiert.

Das klingt verkopfter, als es ist: Zwischen den rahmenden Sequenzen steckt noch die alte Gruselgeschichte mit schaurigen Nebelschwaden aus der Maschine und tatsächlich unheimlichen Soundeffekten.

Das funktioniert hervorragend und bietet beste Unterhaltung, wenn die Schauspieler durch das üppige Bühnenbild von Gisela Brünker klettern, anstatt Holmes Deduktionen zuhören zu müssen. Der Spaß ist dabei vor allem das Verdienst Mateng Pollkläseners, der gleich drei Hinterwäldler aus Dartmoor mit großer Freude am Klamauk darstellt.

Am Ende steht ein durchweg unterhaltsamer Abend, auch wenn sich die Rahmenhandlung dann leider doch als ein bisschen zu hoch gehängt entpuppt und den geschürten Erwartung kaum gerecht wird. Wirklich ärgern kann sich darüber allerdings nicht, wer den Köder geschluckt hat und dafür zwei Stunden fachkundig gegruselt und amüsiert wurde.  Jan-Paul Koopmann

Nächste Termine: 20., 21. und 22. März, 20 Uhr, Bremer Kriminaltheater, Friesenstraße 16-19