„Klingen wie Anarchisten“

DISKUSSION Volker Weiß trägt einen „Kritischen Abriss der Geschichte des Konservatismus“ vor

■ 41, Historiker und Publizist. Er lebt in Hamburg. Zuletzt erschien das Buch: „Moderne Antimoderne. Arthur Moeller van den Bruck und der Wandel des Konservatismus“.

taz: Herr Weiß, warum sollte ich mich als Linker mit Konservatismus beschäftigen?

Volker Weiß: Weil der Konservatismus in der politischen Landschaft eine zentrale Rolle spielt: als Denkweise und als eine von vier politischen Ordnungsideen – neben dem Liberalismus, dem Sozialismus und dem Faschismus.

Folgt nicht – im Links-Rechts-Schema gedacht – auf den Konservatismus der Faschismus?

Faschismus ist eine Form des radikalen Konservatismus, der aber Elemente der Moderne integrieren kann. Er ist ein Resultat der konservativen Niederlagen der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts in ganz Europa.

Also nach dem Ersten Weltkrieg?

Ja. Eine „rechte Opposition“ gab es schon länger, wirkmächtig wird diese in Deutschland aber erst mit der Kriegsniederlage: Der preußisch-deutsche Konservatismus bricht weg, der das 19. Jahrhundert geprägt hat, radikalnationalistische und völkische Strömungen beerben ihn. Es formiert sich die sogenannte „konservative Revolution“.

Heute bezieht sich die Zeitung Junge Freiheit wieder auf Ideologen der konservativen Revolution…

Auch etwa die Zeitschrift Blaue Narzisse oder das Institut für Staatspolitik beziehen sich auf Carl Schmitt, Ernst Jünger oder Oswald Spengler, die das konservative Gebäude schon verlassen haben – es sind Spielarten des europäischen Faschismus.

Die CDU Angela Merkels dagegen hat sich liberalisiert?

Der klassische Konservatismus ist bis zu Unkenntlichkeit geschliffen worden. Erst von den Technokraten, dann von den Opportunisten. Aber Neoliberale und Konservative treffen sich im Ordnungspolitisch-Autoritären. Klassische Konservative sind sehr staatsfixiert, wenn der eigene Staat konservativ geprägt ist, sind sie Staatsfetischisten. Ist er aber zu liberal, dann klingen sie wie Anarchisten.  Interview:jpb

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