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Archiv-Artikel

Wege aus der Lohnfalle

UNGLEICHHEIT Das Projekt „Mehr Wert!“ will Frauen helfen, berufliche Benachteiligungen zu überwinden. In Workshops wird das Auftreten bei Gehaltsverhandlungen geübt

„Das wäre ja furchtbar, wenn jemand mit Neigung zum Helferberuf plötzlich Investmentbanker wird“

Susanne Dreas, Projektleiterin

VON LINDA BODECK

866 Euro – das ist ein All-inclusive-Urlaub nach Mallorca, das ist die Miete für eine Zwei-Zimmerwohnung in Hamburg-Eppendorf oder auch ein neues Sofa. 866 Euro, so viel verdienen in Hamburg Frauen monatlich weniger als ihre männlichen Kollegen.

Etwas gegen diese Lohnungleichheit tun möchte die Sozialbehörde mit dem Projekt „Mehr Wert!“. Es richtet sich „an Frauen in Ausbildung und Beruf, die von Entgelt-Ungleichheit direkt betroffen sind“, sagt Leiterin Susanne Dreas. „Aber auch an die Akteure, die unserer Meinung etwas dagegen tun können.“ In Gesprächen und Workshops sensibilisieren ExpertInnen für die Thematik der „Gender Pay Gap“ und zeigen sowohl interessierten Frauen als auch Berufsberatern und Führungskräften Strategien auf, um diese Kluft zu überwinden.

Die erste Ursache für spätere Lohnungleichheit ist die Berufswahl. Mädchen entscheiden sich oft für Berufsbereiche, die schon per se schlechter entlohnt werden. So arbeitet die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen in nur fünf von 87 möglichen Berufsgruppen. Beliebt sind die Büro-, Gesundheits- und Reinigungsberufe, auch als Verkaufspersonal und im sozialen Bereich sind Frauen häufig vertreten.

Nachteilig für die Karriere sind zudem Unterbrechungen im Arbeitsleben für die Kindererziehung sowie die Rückkehr in Teilzeit. „Und hier muss man ganz klar sagen, das sind oft keine freiwilligen Optionen oder Präferenzen von Frauen, sondern Zwänge, weil keine ausreichende Kinderbetreuung vorhanden ist“, sagt Dreas. Frauen zeigten sich im Job oft weniger aufstiegsorientiert und durchsetzungsfähig als Männer. Das habe zur Folge, dass sie sich in niedrigeren Hierarchiestufen wiederfinden und seltener Führungspositionen bekleideten.

Und schließlich gebe es auch noch die unbewussten Vorurteile auf Seiten des Arbeitgebers: „Wenn dieser sehr viel in eine junge Frau investiert hat und dann ist sie durch die Erziehungszeit plötzlich fünf Jahre von der Bildfläche verschwunden, überträgt er diese Erfahrungen vielleicht unbewusst auf andere Frauen.“

Dass frau eine ganze Menge selber tun kann, um nicht in die Lohnfalle zu tappen, vermittelt „Mehr Wert!“ jungen Absolventinnen, die kurz vor dem Berufseinstieg stehen. Karriere und Lebensentwurf strategisch planen lautet das Stichwort. Das heiße aber natürlich nicht, dass Frauen ihre Karriere ausschließlich nach monetären Aspekten ausrichten sollen, betont die Projektleiterin: „Das wäre ja furchbar, wenn jemand, der wirklich die Neigung hat einen helfenden Beruf zu ergreifen, plötzlich zum Investmentbanker wird.“

Dennoch helfe die Kenntnis über Ursachen von Lohnungleichheit, mögliche Fallstricke im Werdegang zu vermeiden. Besonders das Thema Gehaltsverhandlung rücken die Kursleiterinnen in den Fokus. In Workshops spielen die Teilnehmerinnen das Gespräch durch und üben selbstbewusstes Auftreten. Dabei werden sie ermutigt, ihr eigenes Licht nicht unter den Scheffel zu stellen.

Trotz aller erreichten Erfolge in Sachen Gleichberechtigung glaubt Susanne Dreas, dass für „Mehr Wert!“ noch viel tun ist: „Ich denke, es ist ein dickes Brett, das wir da bohren müssen.“

Seminare für Berufstätige Frauen: 28./29. Januar, 13./14. Mai 2011; Frauen in Ausbildung und Studium: 14./15. Januar, 15./16. April; Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung, Kapstadtring 10, Hamburg