Russen auf Einkaufstour

RABOTA Sanktionen? Krimkrise? Unbeeindruckt davon kaufen Oligarchen RWE eine Konzerntochter ab, der Ölriese Rosneft steigt bei Pirelli ein

Beteiligungen sind nichts Besonderes. Nun erhalten sie eine politische Dimension

VON INGO ARZT

BERLIN taz | Während die EU Sanktionen gegen Russland verhängt, kauft sich eine Gruppe russischer Milliardäre die traditionsreiche DEA – die Abkürzung stand einst für Deutsche Erdöl AG. Die heutige Tochter des größten deutschen Stromerzeugers RWE geht für 5,1 Milliarden Euro an den Investmentfonds LetterOne mit Sitz in Luxemburg.

Hinter dem Fonds stehen hauptsächlich russische Öl- und Gasmilliardäre um den Vorsitzenden Mikhail Fridman. Sie alle haben ihre Milliarden in der sogenannten Alpha Group verdient, eine 1989 gegründete russische Investmentfirma mit rund 60 Milliarden Euro Anlagevermögen. LetterOne will in großem Stil ins Öl, Gas und Telekommunikationsgeschäft einsteigen.

Mit DEA will sie eine äußerst profitable RWE-Tochter kaufen, die unter anderem Öl und Gas in Norwegen, Großbritannien. Ägypten und Deutschland fördert – etwa in der Mittelplatte im deutschen Wattenmeer, wo ein Großteil der deutsche Ölvorräte lagert. Das Öl wird zusammen mit der BASF-Tochter Wintershall ausgebeutet, die im Bieterwettbewerb um die DEA den russischen Investoren unterlag. Die Kartellbehörden unter Aufsicht des Bundeswirtschaftsministeriums müssen den Deal noch genehmigen. Nach Angaben von RWE hat die Bundesregierung keine Einwände gegen den Verkauf der DEA gehabt.

Der „extrem hohe Investitionsbedarf“ in der Öl- und Gasförderung ist laut RWE für die Verkaufspläne ausschlaggebend. Explorationen gelten als extrem teuer und zahlen sich erst nach mehreren Jahren aus. Den Erlös des Verkaufs wollen die Essener in die Schuldentilgung stecken. Der Konzern steht derzeit mit über 30 Milliarden Euro in der Kreide. Sein Kreditrating ist zuletzt kontinuierlich gefallen, dadurch stiegen die Zinskosten. Für 2013 hat RWE sogar einen Verlust bilanziert. Allerdings macht das Unternehmen im laufenden Geschäft noch Milliardengewinne – das Problem ist, dass der Wert von Kraftwerken hauptsächlich in Großbritannien und den Benelux-Ländern nach unten korrigiert werden musste.

Unterdessen bahnt sich eine zweite große russische Investition in Europa an. Der mehrheitlich staatliche russische Ölkonzern Rosneft steigt beim italienischen Reifenhersteller Pirelli ein. Rosneft soll laut den beiden Banken Intesa und UniCredit die Hälfte an einer Dachgesellschaft halten, der wiederum 26,2 Prozent an Pirelli gehören.

Derartige Querbeteiligungen sind eigentlich nichts Besonderes. Sie erhalten nur durch die aktuelle Krise eine besondere politische Dimension. Rosneft kooperiert beispielsweise mit dem US-amerikanischen Ölgiganten ExxonMobile. Beide haben zusammen Firmen gegründet, um gemeinsam Öl in der Arktis, dem Kaspischen Meer und dem Schwarzen Meer auszubeuten.

Mit dem Verkauf des Geschäfts an die Russen hat sich RWE komplett vom Geschäft der eigenen Förderung von Öl und Gas verabschiedet. Eon, der größte deutsche Energiekonzern, hat eine andere Strategie. Russland ist einer der wichtigsten neuen Märkte für den Konzern. Eon ist dort bereits größter ausländischer Stromversorger, in den vergangenen Jahren investierte der Konzern fast 6 Milliarden Euro in Kraftwerke in Russland. Konzernchef Johannes Teyssen sieht keine Gefahr für seine Firma angesichts der aktuellen Krise. „Europa und Russland haben über vier Dekaden eine Energiepartnerschaft aufgebaut, und es gab in dieser Zeit keinen einzigen Tag, an dem Gas als strategische Waffe gegenüber dem Westen eingesetzt wurde.“ Auch jetzt fließe das Gas ohne Druckabfall durch alle Pipelines.