CDU-Führung peacig, CDU-Basis kampfbereit

Vor dem CDU-Landesparteitag in Münster: Koalitionspolitiker spielen den Streit um die neue Gemeindeordnung herunter. Christdemokratische Kreisverbände wollen gegen achtjährige Amtszeit für NRW-Bürgermeister kämpfen

DÜSSELDORF taz ■ „Krise? Welche Krise?“, soll der britische Premierminister James Callaghan 1979 über den Zustand seiner Regierung gesagt haben. Wenige Wochen später war der Labour-Politiker politisch am Ende. „Es gibt keinen Streit in der Koalition“, sagte FDP-Fraktionsvize Christof Rasche gestern im Landtag über den Streit um die NRW-Gemeindeordnung. Am Samstag bereits könnte sich Rasches Satz erledigt haben. Dann entscheidet der CDU-Landesparteitag in Münster über die umstrittene Reform. Und die Kreisverbände scheinen wild entschlossen, gegen den erklärten Willen des Koalitionspartners FDP einen Kernpunkt der Reform zu kippen.

„Wir wollen auf jeden Fall Klarheit“, sagt der Gütersloher CDU-Vorsitzende Ludger Kaup. Sein Kreisverband will morgen den Antrag stellen, die geplante Verlängerung der Bürgermeisteramtszeit von fünf auf acht Jahre einzukassieren. Besonders wichtig ist den Ostwestfalen, dass die Bürgermeisterwahl wie bisher am gleichen Termin wie die Ratswahlen abgehalten wird. „Es darf keine Entkopplung der Wahltermine geben“, sagt Kaup. Dies würde die Stadtparlamente schwächen und zum Absinken der ohnehin mauen Wahlbeteiligung führen. „Die Mehrheit der Kreisverbände sieht das ähnlich wie wir“, sagt Kaup.

Auch der CDU-Kreisverband Bielefeld hat einen ähnlichen Antrag gestellt. „Bei der Reform der Kommunalverfassung darf es nicht zu mehr Wahlterminen kommen“, heißt es da. Der CDU-Gemeindeverband Havixbeck will die geplante Entkopplung der Bürgermeister- und Ratswahlen ebenfalls verhindern. Die Münsterländer fürchten sinkende Wahlbeteiligungen und eine allgemeine Politikmüdigkeit der Bürger, falls sie alle paar Jahre zu neuen Kommunalwahlen an die Urnen gerufen werden. Außerdem habe die CDU „wichtigere Aufgaben zu lösen als die primäre Sicherstellung ausreichender Versorgungsansprüche einiger weniger Politiker“, sagt Gemeindeverbandschef Hans-Gerd Hense.

Bei vielen an der CDU-Basis ist die Gemeindereform aus eben diesem Grund umstritten. NRW-Bürgermeister brauchen nämlich laut Beamtenrecht eine „achtjährige ruhegehaltfähige Dienstzeit“ um in den Genuss lukrativer Pensionszahlungen zu kommen. Wird die Gemeindeordnung also nur novelliert, um die Pfründe von Lokalfürsten zu sichern? Gerade die Hobbypolitiker und Ehrenamtler aus den CDU-Kreisverbänden haben ein feines Gespür dafür, wenn in Düsseldorf neue Gesetze gemacht werden, die den hauptamtlichen Bürgermeistern zum Vorteil gereichen könnten.

Der CDU-Landesführung scheint der Knatsch um die Gemeindeordnung peinlich zu sein. In der Tagesordnung für den Münsteraner Kongress fehlt das Wort Gemeindeordnung. Eigentlich sollten die Delegierten über Umweltpolitik diskutieren, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers lauschen und den jungen Generalsekretär Hendrik Wüst offiziell ins Amt wählen.

Statt dessen ist der Landesvorstand nun um Schadensbegrenzung bemüht. Auf Empfehlung der Antragskommission sollen die Delegierten zum Thema Gemeindeordnung beschließen, „mit der FDP-Landtagsfraktion darüber in Gespräche einzutreten, ob und in wie weit es gemeinsame Möglichkeiten gibt, von den Vorgaben des Koalitionsvertrages abzuweichen“. Es laufen hektische Gespräche, um die Widerständler aus den Kreisverbänden einzubinden. Sollten die CDU-Basisvertreter die weichspülende Formulierung ablehnen, könnte von Münster der erste handfeste Krach in der schwarz-gelben Koalition ausgehen. MARTIN TEIGELER