Betr.: Thema der Woche: Stuttgart 21

Wo ist das Polizeigewissen?

■ betr.: „Ticker zu Stuttgart“, taz.de vom 1. 10. 10

Meine Frage richtet sich an jeden Polizisten, der in Stuttgart im Einsatz war und ist: Üben Sie eigentlich noch den Job aus, für den Sie eingestellt wurden, verteidigen Sie eigentlich noch die Einwohner dieses Landes, oder sind Sie längst eine Privatarmee von gewissenlosen Söldnern ohne jegliche Moral, die für ihre Herren jeden Befehl ohne Widerspruch umsetzt? Wo ist denn die Polizeigewerkschaft, die den Befehl zum Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas gegen eine angemeldete Schülerdemonstration (!) SOFORT hätte verweigern müssen? Sogar als Bundeswehrsoldat bekommt man eingeschärft, dass man Befehle zu befolgen hat, solange sie nicht gegen das Gewissen verstossen. Wo ist Ihr Gewissen gestern gewesen?

Wo war denn wenigstens ein Polizist, der sich geweigert hätte, gegen Schüler und Rentner mit dem Knüppel vorzugehen? Ist Ihnen eigentlich klar, dass der Einsatz der Bundeswehr im Innern deswegen verboten ist, weil Ihnen als Volksorgan der Mut zugestanden wird, sich gegen ungesetzliche Anordnungen zur Wehr zu setzen? CHRISTIAN DETMERS, taz.de

Videolink zu Gewalt gesucht

■ betr.: „Tränen nach dem Schock“, taz.de vom 1. 10. 10

Jetzt mal ernsthaft, ich bin so ziemlich alle Videos durchgegangen, die ich gefunden habe. Ich habe nirgendswo einen Schlagstockeinsatz gesehen, nirgendwo auch nur einen Faustschlag von der Polizei. Wasserwerfereinsatz, Pfefferspray und Schubserei war alles, was an Gewalt vorhanden war. Wer ein anderes Video hat, bitte mir den Link schicken. Das kann man als Gewalt ansehen, je nach Standpunkt sogar als überzogene Gewalt. Aber gemessen an dem Vorgehen der Polizei bei anderen Demos ist das doch ein absoluter Kuscheleinsatz gewesen. Die Menschen wurden eher zaghaft weggetragen und nach 20 Meter wieder freigelassen, statt – wie sonst üblich – festgenommen und für Stunden in einen Käfig gesperrt zu werden. Gab es überhaupt irgendeine Festnahme? Wahlloser Einsatz der Schlagstöcke auf den Kopf, ins Gesicht und Magen war auch nicht zu entdecken, ansonsten auch ein übliches Vorgehen bei Demonstrationen. Warum hier nun so ein Geschrei um eine – im Vergleich – harmlose Vorgehensweise der Polizei gemacht wird, kann ich mir nur damit erklären, dass hier die bürgerliche Mitte betroffen ist und dass selbst dieses zurückhaltende Verhalten schon außerhalb deren Fassungsvermögen liegt. Was vielleicht auch erklärt, warum man die normalen Einsätze der Polizei bei Demonstrationen schlicht ignorierte. Man konnte sich wohl einfach nicht vorstellen, dass eine derartige Gewalt von der Polizei ausgehen könnte. Vielleicht verschiebt sich die Wahrnehmung ja nun ein wenig. Nochmals, ich will den Einsatz der Polizei weder beschönigen noch verteidigen, ich sage nur, dass dieser im Vergleich zu anderen Demos harmlos war. ANDY, taz.de

Was wir können

■ betr.: „Tränen nach dem Schock“, taz.de vom 1.10. 10

In unserem Land kann man angeblich kein Hochdeutsch, die verantwortlichen Politiker, hier in Gestalt unserer Landesregierung können offensichtlich nicht Demokratie. Herr Mappus wolte schon vor Tagen trotz friedlicher Proteste mit Gerede von angeblichen Berufsdemonstranten den Widerstand schlecht reden. Die von der Polizei provozierte Eskalation dient hier der perfiden Strategie, durch überhartes Vorgehen wenigstens einen Teil der Leute zu radikalisieren. NIMMERSATT, taz.de

Dazu meint

NUR DIE RUHE, taz.de:

Was regt ihr euch auf? Wer hat denn Schwarz-Geld gewählt?

Bäume im Krieg

■ betr.: „Liveticker“, taz.de vom 30. 9. 10

Weil sich hier manche fragen, warum so viel „Trara“ um ein paar Bäume gemacht wird. Eine Rentnerin sagte heute, wir hatten hier in der Nachkriegszeit bitterkalte Winter und wir haben alles zu Brennholz verarbeitet, was vorhanden war, aber niemand hat einen Baum im Schlosspark gefällt. SCHLOSSPARKER, taz.de

Helden-Sieg

■ betr.: „Liveticker“, taz.de vom 30. 9. 10

Die hessische und bayrische Bereitschaftspolizei hat einen heldenhaften Sieg über die 9. Klasse der Waldorfschule errungen! DOM, taz.de

Alle Züge fahren nach Frankfurt

■ betr.: „Die Leute wollten Stuttgart 21“, taz vom 28. 9. 10

Dass 50 Prozent des Bahnverkehrs um Frankfurt herum zum Flughafenbahnhof und „gar nicht mehr in die Stadt rein“ fließen, wie Heinz Dürr im Interview behauptet, ist kompletter Quatsch. 100 Prozent des Regional- und Nahverkehrs fließt nach Frankfurt Hauptbahnhof (Hbf) hinein und 98 Prozent des Fernverkehrs. Nur einige wenige Züge aus Berlin (bei weitem nicht alle) halten „nur“ am Süd- und am Flughafenbahnhof. Aber auch der Südbahnhof liegt mitten in der Stadt. Es fahren also alle Züge nach Frankfurt rein und raus.

Dürr ist ein Lobbyist der Autoindustrie (größter Autolackierer) wie Wissmann, früher Verkehrsminister, jetzt Vorsitzender des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA).

Mehdorn kam von der Luftfahrt, daher müssen alle Züge von Stuttgart 21 über den jämmerlichen Stuttgarter Flughafen laufen, um ihm Passagiere zuzuführen und ihn dann ausbauen zu können.

Und Grube ist ein ehemaliger Daimler-Manager. Die meisten heutigen Bahnmanager kommen aus der Konkurrenzecke der Bahn. Dürr erzählt interessenbedingt das Gegenteil der Wahrheit. KLAUS GIETINGER, Frankfurt am Main

Verschwörung

■ betr.: „Die wollen an die Futterkrippe“, taz.de vom 27. 9. 10

Ich bin beeindruckt von den hellseherischen Fähigkeiten der Grünen. All die Jahre, in denen sie gegen das Projekt in dieser Form waren und Gegenentwürfe vorgelegt haben, hatten sie nur im Sinn, im Frühjahr 2011 nach der Macht zu greifen. Sie müssen geahnt, nein gewusst haben, dass die schwarz-gelbe Vorherrschaft in Ba-Wü im Herbst 2010 durch die geballte Inkompetenz der neuen schwarz-gelben Regierung in Berlin geschwächt sein und Stuttgart 21 der perfekte letzte Sargnagel sein würde. Hochachtung an die Grünen für diese generalstabsmäßige Planung und natürlich auch an Heinz Dürr, der diese Verschwörung erkannt hat. DOC, taz.de

Provinzle

■ betr.: „Die wollen an die Futterkrippe“, taz.de vom 27. 9. 10

Die Frage ist „Provinzle“ oder „Weltmarktführer“, und jede Kultur bestimmt ihre Zukunft, denn die Entscheidungen von heute bestimmen den Segen von morgen. Bisher waren Stuttgart/Baden-Württemberg eher in der 2. Kategorie als in der 1. Stuttgart 21 muss gebaut werden, damit auch meine Enkel in 10 bis 15 Jahren zukunftsträchtige Arbeitsplätze vorfinden. Daimler, Porsche, Stihl, Bosch, Eisenmann, Dürr, Trumpf, Metabo, Index haben die Region in Jahrzehnten dorthin gebracht, wo sie heute steht. Das zu verspielen, weil man sinnvolle Infrastruktur nicht bauen und lieber einige Bäume bewahren will, ist grob fahrlässig. SENIOR, taz.de

Immobilie Schienennetz

■ betr.: „Die Leute wollten Stuttgart 21“, taz vom 28. 9. 10

Stuttgart 21 ist nicht weniger als ein Jahrhundertprojekt, das strategische Weichen stellt (Winfried Wolf): Der Eisenbahnverkehr wird in der Fläche zurückgebaut, auf Hochgeschwindigkeit reduziert, im Interesse der Auto- und Luftfahrtindustrie. S 21 dient der Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße. Profiteur ist die Autoindustrie. Die Schrumpfung des Schienennahverkehrs hat denselben Effekt. Die zweite Weichenstellung: Milliardenprofite für die Immobilienhaie. In Heft 43 von 1993 des Wochenmagazins Focus erschien ein Artikel mit der Überschrift „Das Mega-Milliarden-Ding“. Dort hieß es: „Heinz Dürr, der Führer der zukünftigen Deutschen Bahn AG, gibt sich entschlossen, mit Bahnhöfen und Brachland gutes Geld zu verdienen. Für das Geschäft mit den Immobilien wird im Vorstand der neuen DB AG eigens ein neues Ressort geschaffen. Das 41.000 km lange Schienennetz ist als Immobilie pures Gold. Die Gleisschneisen der Städte können raffiniert umgebaut werden.“ Es geht also nur um die Privatisierung von Volksvermögen für Immobilien-Deals.

UWE BRAUNER, Tübingen