Jukebox

Aufgeräumte Musik nach der Wiedervereinigung

Es war eine Zeit, in der Funktelefone noch mit Sackkarren bewegt wurden und Computerbildschirme kränklich-grün flimmerten. Eine Zeit, in der Australien noch ein fernes Land auf der anderen Seite des Planeten war und nicht nur einen Klick entfernt. Es war auch eine Zeit, in der die Worte „Kult“ und „Legende“ noch keine böse Inflation erfahren hatten und etwas bedeuteten. Niemand hat die kleine Restwürde der beiden Wörter so sehr verdient wie Radio Birdman.

Damals musste man noch Schallplatten kaufen, um Musik zu hören. Und wer genug Bafög bekam, der konnte sich vielleicht mal einen dieser schweineteuren Australo-Importe leisten. Die waren angesagt, weil man nach Punk und vor Grunge kaum vernünftige Rockmusik woanders herbekam. Und bei jeder neuen, noch stumpferen, noch grandioseren Band, die von diesem Beutelrattenkontinent kam, schien ein ehemaliges Mitglied von Radio Birdman mitzuspielen oder zumindest produziert zu haben.

Das Original betrieb schon ab 1974, für was sich einige New Yorker zwei Jahre später und ein ganzer Haufen britischer Art-School-Dropouts dann 1977 als revolutionäre Leistung an die Brust hefteten: Den Rock von seiner verpupsten Siebziger-Kunstrock-Behäbigkeit zu befreien. Auch wenn Radio Birdman eigentlich keinen Punk spielten und sich auf die Stooges und MC 5 beriefen, entsprangen sie doch demselben Geist. Die Songs waren kurz und heftig, die Gitarren von Deniz Tek und Chris Masuak schnörkellos und auf den Punkt, und beim Nichtsänger Rob Younger klangen selbst ausgelutschteste Phrasen noch lakonisch: „Murder City Nights / Oh yeah“. Und das Allerbeste: Radio Birdman existierten nur eine EP und zwei LPs lang. Nicht lang genug, um ihre Halbwertszeit zu überschreiten. Als sie sich 1978 auflösten, waren sie missverstanden und verhasst, kommerziell vollkommen erfolglos, von ihrer Plattenfirma gefeuert und bald die einflussreichste Rockband des fünften Kontinents.

Dass es nun eine Wiedervereinigung gibt mit immerhin vier Sechsteln der Originalbesetzung, darunter Younger, Tek und Masuak, verschafft all denen, die Radio Birdman nie live gesehen haben, und das sind einige, die Gelegenheit etwas nachzuholen. Und vielleicht das eigene lieb gewonnene Legendenbild zerstören zu lassen. Immerhin das neue Album „Zeno Beach“, das erste nach nur 25 Jahren Pause, klingt wesentlich aufgeräumter und zupackender, als man es von den alten Herren hätte erwarten dürfen. THOMAS WINKLER