Holland in Rage

Das niederländische Hockeyteam verpasst das Halbfinale der Weltmeisterschaft, weil die deutsche und südkoreanische Auswahl in der entscheidenden Partie mauscheln

MÖNCHENGLADBACH taz ■ Ein Schatten liegt seit dem Mittwochabend über der Hockeyweltmeisterschaft. Die Halbfinalspiele stehen fest, doch unter den vier besten Teams fehlt der Titelaspirant Niederlande, und das hat eine Menge Gemüter erregt in Mönchengladbach – nahe der holländischen Grenze. Vor allen Dingen die niederländischen Journalisten kochten vor Wut angesichts des Ausscheidens der Krummstock schwingenden Landsleute. „Das war kein Hockeyspiel, das war eine Farce“, warf ein Berichterstatter dem deutschen Bundestrainer Bernhard Peters vor, nachdem dessen Team 0:0 gegen Korea gespielt hatte. Mit diesem Unentschieden zogen sowohl Korea als auch Deutschland ins Halbfinale ein, Holland hätte einen Sieg in dieser Partie gebraucht, egal für wen. Peters entgegnete dem Vorwurf, eine Absprache getroffen zu haben, mit all seiner Nüchternheit. „Meine Jungs wollten gewinnen, nur in den letzten zehn Minuten haben wir etwas defensiver gespielt“, sagte er, außerdem sei allein die deutsche Mannschaft sein Thema, „und die ist im Halbfinale, das ist ein großer Erfolg“.

Dennoch wehte ein Hauch von Gijon durch den Mönchengladbacher Hockeypark. In der spanischen Stadt hatten die deutschen Fußballer bei der WM 1982 in einem unsäglichen Spiel 1:0 gegen Österreich gewonnen, wodurch beide Teams weiterkamen und die hilflosen Algerier ausschieden. Achtzig Minuten lang hatten beide Mannschaften damals den Ball hin und her geschoben, ohne erkennbares Bemühen, ein Tor zu erzielen, und bisweilen wies die Darbietung der Hockeyspieler durchaus Ähnlichkeiten auf mit dem historischen Herumgekicke von Rummenigge, Briegel, Krankl & Co. „Es war von Anfang an klar, dass keiner dieses Spiel gewinnen wollte“, sagte Hollands Trainer Roelant Oltmans, „keine einzige Strafecke, nur ein einziger Schuss aufs Tor, das ist kein normales Spiel gewesen.“

Oltmans entgegnete seinen aufgebrachten Landsleuten allerdings auch damit, dass „Deutschland und Korea das Recht hatten, das zu tun“, allerdings sei dieses Ende der Gruppenphase „nicht gut für unseren Sport“. Die Zuschauer pfiffen schon früh gegen die querpassenden Koreaner, in der zweiten Halbzeit begannen die Leute auch Deutschland auszupfeifen. Oltmans mahnte: „Wir müssen uns über die Zukunft unseres Sports Gedanken machen, hier sind tausende Zuschauer im Stadion, das Fernsehen überträgt in viele Länder, dem Hockey hat das heute nicht gut getan.“

Das Problem ist der Austragungsmodus. Die Weltmeisterschaft wird nur in einem einzigen Stadion veranstaltet, und da ist es eben unmöglich, die letzten Gruppenspiele zeitgleich anzupfeifen. Die Fußballverbände haben nach dem Skandalspiel von Gijon reagiert und lassen die abschließenden Partien in den Gruppenphasen ihrer Turniere seither gleichzeitig spielen. Oltmans schlug vor, die gesamte WM-Konzeption zu überdenken, denn sein Team musste zudem fünf schwere Spiele innerhalb von sieben Tagen absolvieren, auch das sei dem fairen Wettbewerb abträglich.

Auch die Gastgeber sind nicht sehr glücklich über das Ausscheiden des holländischen Erzrivalen, denn ein Finalwochenende mit Holland und seinen zahlreichen Fans wäre definitiv stimmungsvoller gewesen als Spiele ohne die leidenschaftlichen Hockefreunde in Orange. Nun trifft Gastgeber Deutschland am heutigen Freitag im Halbfinale auf Angstgegner Spanien (20.15 Uhr, WDR), nachdem zuvor Australien und Korea im zweiten Halbfinale den ersten Finalisten ermitteln.

Angesichts dieser wichtigen sportlichen Aufgaben haben die sonst so innovationsfreudigen Deutschen erst einmal keine Zeit, sich mit dem kritikwürdigen WM-Modus auseinanderzusetzen. Bundestrainer Peters sagte nur: „Es gibt manchmal so unglückliche Situationen, aber mein Thema ist nicht Mitleid, mein Thema ist Gewinnen.“ Lieber sinnierte der Trainer noch ein wenig über Halbfinalgegner Spanien, den er als „gut strukturierte, stark aufgebaute Mannschaft mit hervorragenden Individualisten“ beschrieb. Wie die Koreaner spielen die Spanier ein „sehr kluges Spiel, das auch nur auf Kontern basiert, und das machen sie mit einer Routine und einer Abgebrühtheit, die beispielgebend ist“, so Peters. Allerdings ist fest davon auszugehen, dass es gegen diesen defensiven Halbfinalisten ein paar Torschüsse und wohl auch die eine oder andere Strafecke geben wird. DANIEL THEWELEIT