„Soft Power“ und Kredit aus China

Beim Besuch von Chinas Premierminister Wen Jiabao bei Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigen sich hinter der routinierten Fassade die Machtverschiebungen

BERLIN taz ■ Während Chinas Premier Wen Jiabao gestern in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft – das bereits dritte Treffen der beiden in diesem Jahr –, demonstrieren wie seit einiger Zeit bei Besuchen aus China üblich Anhänger der in der Volksrepublik verbotenen Sekte Falun Gong vor dem Kanzleramt und schwingen daneben von der chinesischen Botschaft bestellte Jubelchinesen ihre roten Nationalflaggen.

Auch drinnen im Kanzleramt sieht es zunächst nach „business as usual“ aus und Merkel und Wen geben sich bei ihrem Auftritt vor der Presse routiniert. Doch auf den zweiten Blick sind die Verschiebungen im bilateralen Verhältnis, die Chinas wachsendes Gewicht in der Welt zeigen, nicht zu übersehen. So bei der üblichen Unterzeichnung von Verträgen in Anwesenheit der Regierungschefs. Früher ging es meist um den chinesischen Kauf deutscher Industrieanlagen oder um deutsche Investitionen in China. Doch jetzt ist unter den Verträgen nicht nur einer über ein weiteres Konfuzius-Institut in Deutschland. Dieses hier mittlerweile dritte Institut für chinesische Sprache und Kultur zeigt Chinas weltweit wachsende „Soft Power“, wozu auch Wens Einladung an 400 Jugendliche nach China gehört. Laut Merkel sucht Berlin noch nach einer passenden Antwort.

Drei Verträge weiter zeigt sich Chinas neue Wirtschaftsmacht. So gewährt die chinesische Eximbank einer Hamburger Reederei und Kapitalgesellschaft mal eben einen Kredit von über 300 Millionen Euro, um in China 14 Containerschiffe und Tanker zu kaufen. Vor noch nicht allzu langer Zeit pflegten Chinesen Schiffe in Deutschland zu bestellen und deutsche Banken dafür die Kredite zu geben.

Auch auf der politischen Ebene zeigen sich Änderungen. Merkel spricht die Menschenrechte an und verweist auf Chinas besorgniserregende neue Bestimmungen zur Zensur der Medien. Früher äußerten sich Pekings Politiker dazu vor der Presse allenfalls, wenn sie direkt danach gefragt wurden. Wen dagegen spricht von sich aus, ungefragt und wie selbstverständlich das Thema an. „China legt großen Wert auf die Menschenrechte“, sagt er, sie sollten geschützt werden, und hakt das Thema damit selbstbewusst ab.

Auch die Fragen deutscher Journalisten nach Pekings Position zum Atomkonflikt mit dem Iran und zur UN-Friedenstruppe für Darfur zeigen, dass China international viel ernster genommen wird. Wen spricht sich für die UN-Truppe in Darfur aus, an der sich China vielleicht gar beteiligen werde. Und Iran sollte keine Atomwaffen haben, angedrohte Sanktionen könnten aber kontraproduktiv sein.

Zum Schluss fragt dann eine Journalistin aus China die Kanzlerin, was sie als EU-Ratspräsidentin im ersten Halbjahr 2007 für die Aufhebung des EU-Waffenembargos und die Gewährung des Status der Marktwirtschaft an China tun wolle. Da muss Merkel, die vorher das bilaterale Verhältnis gelobt hat, passen. SVEN HANSEN