Schlussmachen für Anfänger

SERVICE Die Piraten machen Ernst mit ihrer Selbstauflösung – aber der Zerfall dauert ewig. Geht das nicht irgendwie schneller? Eine Gebrauchsanweisung in neun Punkten

VON MARTIN KAUL

Die jüngere Geschichte der Piratenpartei ist eine Zerfallsgeschichte. Aber eine langwierige. Seit Monaten gibt es Querelen. Die Mitglieder machen sich davon. Zuletzt trat gleich der halbe Bundesvorstand der Partei zurück, und das mitten im Europawahlkampf. Doch wie in den parteiinternen Diskussionen brauchen die Piraten auch für die Selbstabwicklung ewig. So geht’s richtig.

1. Wie löse ich eine Partei auf?

Dazu hilft den Piraten ein Blick in die eigene Satzung, die sich am Parteiengesetz orientiert. Abschnitt 1, Paragraf 13 regelt, was zur „Auflösung und Verschmelzung“ wichtig ist. Da die Partei ja schon verschmolzen genug ist, reicht es, dort alles zum Thema „Auflösung“ zu lesen.

2. Dann mal konkret: Wie geht es ganz schnell?

„Ein Auflösungsbeschluss kann auf jedem ordentlichen oder außerordentlichen Parteitag gefasst werden“, heißt es aus dem Büro des Bundeswahlleiters. Die Hürden für eine Selbstauflösung sind aber hoch. Heißt: Selbst beim Turbomodus wird es die Piraten wohl noch mindestens drei Monate geben.

3. Warum?

Erste Hürde: Zunächst müsste überhaupt ein Bundesparteitag zusammenkommen. Das hat der sogenannte Restvorstand der Partei zwar schon angekündigt, aber das kann gut und gern noch drei Monate dauern. Zweite Hürde: Um dort darüber abstimmen zu dürfen, ob sich die Partei auflöst, muss ein entsprechender Antrag mindestens vier Wochen vor dem Parteitag eingegangen sein. Dritte Hürde: Auf dem Bundesparteitag müsste sich eine Dreiviertelmehrheit der Stimmberechtigten für die Auflösung der Bundespartei entscheiden.

4. Super, war’s das dann?

Noch lange nicht. Das Parteiengesetz und die Piratensatzung machen es den Piraten nicht leicht, sich endlich aufzulösen. Selbst wenn eine gigantische Mehrheit der Stimmberechtigten beim Parteitag die Auflösung beschließt, müssen sämtliche Mitglieder in einer Urabstimmung das Ergebnis – erneut mit Dreiviertelmehrheit – bestätigen. Erst wenn die Urabstimmung vollzogen ist und erfolgreich war, ist die Partei rechtskräftig aufgelöst.

5.Kann man wenigstens schon mal schnell ein paar Landesverbände dichtmachen?

Von wegen. Dafür gelten so in etwa die gleichen Hürden. Plus: Die Landesverbände können sich nicht einfach selbst auflösen. Auch wenn sie das wollen, muss immer noch der Bundesparteitag zustimmen. Vertrackt.

6. Was ist mit den anstehenden Wahlen?

Das ist ja der Mist.

7. Wieso?

Die Piraten müssen da antreten.

8. Hä? Kann die Partei denn nicht einfach nicht mehr an der Europawahl teilnehmen?

Völlig ausgeschlossen. Selbst wenn die Piraten, was verständlich wäre, keine Lust mehr auf die Europawahlen am 25. Mai hätten: Sie müssen sich wählen lassen – ob sie wollen oder nicht. „Wer jetzt schon zur Wahl zugelassen ist, muss auch teilnehmen. Das ist nötig, damit Klarheit in dem Wahlverfahren herrscht“, heißt es aus dem Büro des Bundeswahlleiters. Es wird noch schlimmer: Selbst der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Zwar können Parteien, die nicht zur Wahl zugelassen wurden, dagegen beim Bundeswahlausschuss oder beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegen. Aber: Parteien, die bereits zugelassen wurden, können sich nicht mehr zur Wehr setzen. Plus: Weil das Bundesverfassungsgericht die 3-Prozent-Hürde bei den Europawahlen gekippt hat, könnten die Piraten mit ein bisschen mehr Pech tatsächlich noch ein Mandat bekommen. Das hieße: wieder fünf Jahre durchhalten. Jetzt bleibt also nur noch eins übrig: Alle KandidatInnen könnten erklären, dass sie von einer Wahl ihrer eigenen Partei abraten. Falls sie dann dennoch gewählt werden, müssten die Erwählten ihre Mandate gezielt nicht annehmen. Das immerhin ginge.

9. Voll kompliziert. Also muss man einfach immer weitermachen?

Wäre ein Option. Aber das löst ja nicht das Problem, dass die Partei sich eigentlich abschaffen will. Geht es nach den Piraten, dann deutet allerdings einiges darauf hin, dass sie die Strategie eines Abschieds auf Raten wählt. Der Nochbundesvorsitzende der Piraten, Thorsten Wirth, sagte der taz: „Wir haben noch ein wenig Zeit mit der Selbstauflösung – und vorher haben wir noch ein paar Sachen zu klären.“ Das ist tatsächlich elementar, denn auch ein Auflösungsparteitag will schließlich bezahlt werden. Und Wirth hat ein Problem: „Wir brauchen jetzt erst mal wieder vollständigen Zugriff auf unser Konto. Der Schatzmeister ist ja auch gegangen.“